Keine Angst vor Anakondas
liebsten mit den Worten »Quod erat demonstrandum«, was zu beweisen war! Kurzum: Jörg ist ein wenig anstrengend. Und dies ist seine erste Expedition in den Dschungel Südamerikas.
Hintergrund unserer Expedition ist die fünfteilige Tierserie Big Five Südamerika , zu der wir unseren Teil beitragen. In Anlehnung an die »Big Five« Afrikas haben sich Filmteams aufgemacht zu den Andenbären, den Jaguaren, den Großen Ameisenbären, den Riesenottern – und eben den Großen Anakondas. Eine geniale Idee der Redakteure Bernd Strobel und Udo Zimmermann vom Bayrischen Rundfunk!
Auf Tierexpeditionen geschieht viel Spannendes und Unterhaltsames, während die Kamera nicht läuft oder keine verwertbaren Bilder liefert. Es sind vor allem die Tierfilmer und Biologen, die sich in der Wildnis den Tieren nähern, sie beobachten und ihnen manchmal näher kommen als beabsichtigt. Der Fernsehzuschauer sieht dann das Ergebnis, den fertigen Film. Er folgt gebannt den Berichten. Doch er erfährt nur wenig darüber, wie der Film oder bestimmte Szenen zustande gekommen sind. Dahinter verbergen sich oft abenteuerliche Geschichten voller Entbehrungen und Mühen, gelegentlich aber auch erheiternde Geschehnisse. Immer, wenn sich eine gute Gelegenheit bot, habe ich deshalb mit Biologen und Tierfilmern das Gespräch gesucht, und wir erzählten uns mit glänzenden Augen von heranpreschenden Flusspferden, beißwütigen Schlangen oder von den Tricks und Begebenheiten, die zu gelungenen Aufnahmen führten.
Wider Erwarten mussten dann auch Jörg und ich uns eine lange Nacht im Dschungel von Guyana um die Ohren schlagen. Wir lagen aber nicht im Tarnzelt auf der Lauer. Weit gefehlt. Wir bewachten eine riesige Anakonda! So hatten wir viel Zeit, uns von ganz außergewöhnlichen Begebenheiten zwischen Menschen und Tieren zu erzählen, von denen im Folgenden die Rede sein wird.
Brechen Sie also mit mir auf in die Wildnis. Fiebern Sie mit, und sehen Sie den unglaublichsten Begegnungen zwischen Tieren und Menschen entgegen!
1
Nachtwache mit Anakonda
03:04 Uhr
Sie hat endlich Ruhe gegeben. Der vor mir liegende massige Leib atmet tief ein und aus. Ich denke, der mit schwarzen Punkten versehene, überdimensioniert wirkende Feuerwehrschlauch sammelt neue Kräfte. Das ist gut so, das ermöglicht es mir, mich in Ruhe auf meine Nachtwache vorzubereiten. Ich kippe viel zu viel Kaffeepulver und etwas Zucker in meinen Becher, gieße kaltes Wasser darüber und rühre um. Ich habe noch eine lange Nacht vor mir, in der ich es mir niemals verzeihen würde, einzuschlafen. Neben den dreibeinigen Campinghocker lege ich den neuen Roman von Frank Schätzing, nehme meinen Laptop auf den Schoß und klappe ihn auf.
Erst vor wenigen Minuten hat mich mein Kollege Jörg geweckt, damit ich die letzte Nachtwache übernehme. Mit einem Baumwollsack über ihrem Kopf liegt die Anakonda nun friedlich zusammengerollt vor mir. Am Abend war sie noch sehr unruhig und versuchte immer wieder, sich aus dem Staub zu machen. Es war nervenaufreibend für uns und kostete viel Kraft, diesen Koloss ein ums andere Mal in die Mitte unseres Camps zurückzuverfrachten.
Während ich mich einrichte, erzählt Jörg von den drei Stunden seiner Nachtwache. Die Riesenschlange wollte trotz des Baumwollbeutels mehrfach wegkriechen. Ich sinniere kurz darüber, wie geschlaucht der Schlauch vor mir wohl ist, und frage Jörg, wie er sie daran hindern konnte, ganz auf sich allein gestellt.
Er gähnt herzhaft und sagt: »Indem ich ihr die Hand auf den Kopf gelegt habe!«
Das Koffein wirkt noch nicht. Ich bin noch zu verschlafen, um einen möglichen Scherz zu erkennen, und plappere ihm verständnislos nach: »Du hast ihr also die Hand aufgelegt?«
»Ja!«
»Und sie ist einfach liegen geblieben?«
»Ja.«
Ich schaue ihn an und kann immer noch keinen Witz ausmachen. Endlich lässt er sich zu einer Erklärung herab: »Die Anakonda spürte dann, dass ich noch da war, und hat es aufgegeben, sich verdrücken zu wollen.«
So einfach soll es sein, die riesige Schlange zum Bleiben zu bewegen? Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob Jörg sich einen Scherz mit mir erlaubt: »Mach das mal vor, ich will das sehen!«
»So!«, sagt Jörg und legt seine Hand auf den Kopf der Schlange.
Die Schlange bewegt sich etwas, bleibt aber liegen. Das überzeugt mich – vorläufig.
»Und sie hat dabei nicht versucht zu beißen?«, frage ich.
»Nein.«
Ich bin erstaunt, aber nicht über die spärliche Reaktion der Schlange,
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