Keine Angst vor Anakondas
wir uns getroffen, Material angesehen, weitergemacht, bis das Pensum abgedreht war. Er hat sich da nicht eingemischt, es ist alles automatisch gelaufen. Horst Stern hätte gar nicht helfen können. Der hätte sich nur unendlich gelangweilt und sich krumme Beine geholt.« Insgesamt 13 Filme kamen so ab 1969 für Horst Sterns Serie in den Kasten.
»Mach mal!«, hatte Horst Stern zu ihm gesagt. Kein Problem, Kurt Hirschel ist ein »Macher«, einer, der allen Umständen zum Trotz die gewünschten Resultate liefert. Aber wie? Welche Spinnenarten sollte er nehmen und woher sie bekommen? Der Film konnte ja nicht einfach nur von unserer heimischen Kreuzspinne handeln, sondern sollte die schillernde Welt der Achtbeiner und die große Bandbreite ihres Verhaltensrepertoires zeigen. Eigentlich gehört Kurt Hirschel zu der Riege der Tierfilmer, die die Tiere am liebsten in der freien Wildbahn filmen. Kein Studiolicht, keine künstliche Situation. Stattdessen: Natur pur. Als er mit Horst Stern den Film über die heimischen Rothirsche drehte, hatten die Tiere keine Ahnung davon, dass »der Hirschel« heimlich in den Einständen der Hirsche herumlungerte und sie ablichtete. Doch oftmals ist es nicht möglich, Tiere zu filmen, ohne dass diese die Anwesenheit des Menschen bemerken. Dann heißt es, einen möglichst großen Abstand einzuhalten oder die Tiere langsam an die eigene Anwesenheit zu gewöhnen. Dies kann dazu verleiten, die Tiere bewusst zu gewünschtem Verhalten zu bewegen, so wie Kurt Hirschel die Spinne durch Anpusten zum Netzbau animieren wollte.
Die Gewöhnung von Tieren an den Menschen kann seltsame Blüten treiben: In den afrikanischen Nationalparks sind einige Raubkatzen so sehr an die Jeeps der Touristen oder Fotografen gewöhnt, dass sie den Schatten der Autos für ein Nickerchen nutzen oder schamlos ihr Liebesleben vor der Stoßstange offenbaren. Auch werden Tiere angefüttert, um sie vor die Linse zu bekommen.
Manchmal geht es nicht anders, als die Tiere einzufangen und mitzunehmen oder sogar zu züchten. Von Menschen großgezogene, halbwilde oder gar zahme Tiere sind alle Male leichter zu filmen als versteckt lebende wilde Gesellen. Kurt Hirschel konnte aber nicht auf zahme Spinnen hoffen, die sich in der Wildnis problemlos filmen lassen. Also musste er ihnen in seinem Labor eine möglichst naturgetreue Umgebung bieten. In dem Spinnenforscher Ernst Kullmann fanden Hirschel und Horst Stern fachliche Unterstützung. So entwickelte sich eine geradezu symbiotische Zusammenarbeit eines Wissenschaftlers mit zwei Meistern aus der Welt der Medien. Großartige Tiere, ästhetisch perfekte Aufnahmen und ausdrucksstarke Sätze sollten später den großen Reiz des Films ausmachen.
Zudem wurde ein Biologe angeheuert, für den es zur Vollzeitbeschäftigung wurde, die 70 Spinnenarten für den Film zu versorgen und zu züchten. Sogar aus »Down Under« kamen die achtbeinigen Stars per Kurier – Australien ist der Kontinent, der die meisten Gifttiere beherbergt. Jede Spinne musste getrennt gehalten und gefüttert werden, denn viele Arten neigen zum Kannibalismus, bekanntestes Beispiel ist die Schwarze Witwe. Eigene Futterzuchten von mikroskopisch kleinen Springschwänzen bis hin zu Heuschrecken wurden angelegt. Die Spinnen mussten schließlich genügend Stoff zum Aussaugen bekommen. Im Laufe der Zeit entstand ein kleiner privater Krabbelzoo.
Der Biologe hatte einen sehr verantwortungsvollen Job. Er musste immer im Voraus wissen, wann filmrelevante Ereignisse wie Paarung oder Kokonbau bevorstanden. Dann wurde möglichst frühzeitig ein Biotop aufgebaut, in das die Spinnen umgesiedelt wurden. Aufgezogen und gehalten wurden sie in Plastikbehältern. So ein Biotop war schnell aufgebaut, sie brauchten in der Regel lediglich ein paar Zweige aufzustellen. Darüber wurde eine Glasglocke gestellt, damit die Spinnen nicht ausreißen konnten. Netzspinnen bleiben dann am Ort. Als während der Dreharbeiten eine lange geplante Griechenlandreise Hirschels mit seiner Frau Helgard anstand, waren ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Spinnen kurz vor ihrem Schlupf. Andere Leute nehmen ihren Hund mit in den Urlaub – Kurt Hirschel packte seine Spinnen ein. Nachts um halb drei schrillte in Griechenland die Alarmanlage. Der Sensor in der Spinnenbox, die er extra für diesen Zweck konstruiert hatte, meldete Bewegungen. Es war so weit, die Spinnen schlüpften. Sofort war der Bastler hellwach und eilte zu Kamera und Spinnenterrarium. Die Nacht
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