Keine Frage des Geschmacks
gehalten:
Triestiner Geschäftsmann in der Marina von Ravenna festgenommen. R. R. ist der versuchten Unterschlagung von Beweismitteln angeklagt. Nach zweistündigem Verhör wurde er unter Auflagen freigelassen. Jeder Quadratzentimeter seiner schönen Yacht, ein Zweimaster aus den dreißiger Jahren mit rostroten Segeln, wurde von Kriminaltechnikern inspiziert. Der einflussreiche Unternehmer, der am Freitag zu einem längeren Törn aufgebrochen war, fuhr noch am selben Abend mit dem Zug zurück nach Triest. Eine Stellungnahme war nicht zu bekommen.
Nach dem Abendessen mit Marietta hatte er gegen Mitternacht völlig durchnässt die Vespa zu Hause abgestellt. Trotz der Tatsache, dass kein Fetzen Stoff an seinem Leib trocken war, rannte er die letzten Meter durch den peitschenden Regen zum Haus und direkt ins Badezimmer, wo er sich der Klamotten entledigte und eine heiße Dusche nahm.
Lauras Anruf hatte er erst nach langem Klingeln vernommen.
»Wo seid ihr?«, fragte Proteo.
»In Rovinj. Wir ankern in der Bucht, im Hafen war kein Platz mehr. Von wegen Wirtschaftskrise, alle sind zu dieser Zeit in Ferien.«
»Und Mariantonietta? Steht der Mast noch?«
»Kein Grund zur Sorge, Lieber. Aber dieser Sturm ist wirklich fürchterlich, und die Wetteraussichten sind auch nichtrosig. Ich komme morgen zurück. Entweder mit der Yacht oder mit dem Tragflächenboot, je nachdem.«
»Ich dachte, drei Frauen allein hätten sich so viel zu erzählen?«
»Das kann man jederzeit nachholen, Proteo. Hat Mutter dir das Abendessen zubereitet?«
»Ich bin ausgegangen und erst vor ein paar Minuten nach Hause gekommen. Dem Lärm nach zu schließen, schaut sie wieder eine dieser Talkshows, mit denen man den Leuten die letzten Hirnzellen versengt.«
»Sie langweilt sich eben. Ein bisschen Ansprache würde ihr guttun.«
Laurenti schaute sich um, doch außer ihm war niemand zu sehen.
»Du kommst ja morgen schon zurück. Solange wird sie’s aushalten. Und außerdem kümmert sich ja das Baby um sie.«
Natürlich machte seine Schwiegermutter wieder ein vorwurfsvolles Gesicht, als er sie mit einem Weinglas in der Hand begrüßte. Auf dem Bildschirm flackerte die tränenreiche Szene eines unglücklichen Paares, das durch die Zurschaustellung ihres Seelenlebens hoffte, es für alle Ewigkeit miteinander auszuhalten. Die Wiege mit dem Baby stand nicht im Wohnzimmer, Patrizia war also daheim und hatte sich mit der kleinen Barbara zurückgezogen. Laurenti ging zu ihrem Zimmer im Anbau hinüber.
»Stimmt es, dass du heute über Mittag auf der Diga vecchia warst?«, fragte Patrizia sogleich, nachdem er das Baby in sein Bettchen zurückgelegt und sich gesetzt hatte.
»Ich hatte eine Stunde Zeit und einen Sprung ins Meer nötig, um mich aufzufrischen. Das war vielleicht ein Tag!«
»Kann es sein, dass du mit Gemma dort warst?«, forschte Patrizia weiter.
Er blickte sie erstaunt an. »Ja, woher weißt du das? Unsere Ärztin war auch zufällig dort.«
»Mamma hat es mir gesagt. Eine ihrer Freundinnen hat dich gesehen und sie sofort angerufen. Ihr sollt in der Bar ziemlich eng beieinandergesessen haben. Kann das sein? Habt ihr etwa ein Verhältnis?« Patrizia platzte vor Neugier. »Das wäre ja zu komisch! Und geraucht hast du auch wie ein Schlot. Erzähl schon, Papà.«
»Um Himmels willen. Wenn die Leute nichts zu tratschen haben, geht es ihnen nicht gut.«
»Das habe ich Mamma auch gesagt.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele unbegründete Verdächtigungen täglich auf meinem Schreibtisch landen. Aber was hast du denn den ganzen Tag gemacht?«
»Ach, ich war am Strand mit Guerrino. Weißt du, Gigi kommt morgen zurück«, sagte Patrizia. »Sein Schiff läuft gegen Mittag ein.«
»Mhm.«
»Und deswegen musste ich noch ein paar Kleinigkeiten regeln.«
»Das heißt, du hast deinem Forstbeamten den Laufpass gegeben?«
»So würde ich es eigentlich nicht sagen. Manches geht durchaus parallel. Eine Frage der Organisation.«
»Ja, parallel, Patrizia.«
»Mal sehen! Bringst du mich zur Mole, Papà? Ich möchte Gigi gerne abholen. Mit der Kleinen natürlich. Er hat sie noch nie gesehen.«
»Sag Marco Bescheid, dass wir einen Gast mehr haben. Laura hat gesagt, dein Bruder würde uns morgen bekochen.«
Bora und Schirokko lagen im Widerstreit, der Wind wechselte alle Augenblicke, manchmal hatte die Regenwand dank des Windes aus Süden Oberhand, dann setzte sich der Sturm aus Ostnordost wieder durch und fegte sie aufs Meer
Weitere Kostenlose Bücher