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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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Captain deutete auf eine noch qualmende Feuerstelle in der Nähe des Wassers. »Ein Haufen Kids haben die Nacht durchgemacht. Lagerfeuer. Bier. Pot. Zwei der Jungs mussten pinkeln und haben die Leiche in der Nähe der Toiletten gefunden.«
    Al war klar, dass es zu seinem Job gehörte, die Leiche zu untersuchen. Er hatte schon Dutzende von ihnen gesehen. Erschossen. Erstochen. Zu Tode geprügelt. Zerstückelt. Aber seit Samis Martyrium vor zwei Jahren war es für ihn zusehends schwieriger geworden, Mordopfer zu untersuchen, was für einen Detective bei der Mordkommission genauso absurd war wie für einen Taucher die Angst vor Wasser.
    Â»Ich möchte, dass Sie den Fall übernehmen«, sagte der Captain.
    Als erste Reaktion wäre es gewesen, »Nie im Leben« zu entgegnen, doch eine Diskussion wäre sinnlos gewesen. »Mit wem werde ich zusammenarbeiten?«
    Â»Ich denke da an Ramirez. Aber ich will, dass alle bei der Ermittlung mitarbeiten.«
    Â»Kann ich etwas dazu sagen?«
    Â»Wir sind hier nicht in einem demokratischen Verein.«
    Â»Kann ich wenigstens in meinem Fall plädieren?«
    Der Captain verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich höre.«
    Â»Ramirez ist nutzlos. Seit seiner Beförderung zum Lieutenant sitzt er sich seinen Hintern in seinem gemütlichen Büro platt. Er ist kein Cop mehr, der in die erste Reihe gehört.«
    Â»Ihre Bedenken sind registriert.«
    Al hasste es, wie ein Kind behandelt zu werden.
    Der Captain warf seine Zigarette auf den Rasen und zerdrückte sie mit seinem Schuh. »Wie geht es Sami denn so?«
    Â»Sie behauptet sich.«
    Â»Habe sie lange nicht mehr gesehen. Früher hat sie ab und zu mal auf dem Revier vorbeigeschaut. Mag sie uns nicht mehr?«
    Â»Nehmen Sie es nicht persönlich, Captain. Wir wohnen zusammen, und ich muss mich inzwischen mit ihr verab­reden, wenn ich sie zum Abendessen sehen will.«
    Der Captain durchwühlte seine Taschen nach einer weiteren Zigarette. »Wie geht es denn so mit euch beiden?«
    Â»Wir haben auch unsere kleinen Reibereien, aber eigentlich läuft’s bis jetzt ganz gut.« Das war nur die halbe Wahrheit, denn in letzter Zeit war er sich nicht sicher, was er von ihrer Beziehung halten sollte. So komisch es sich auch anhörte, er liebte sie, war sich aber nicht im Klaren darüber, ob er mit ihr zusammenleben wollte.
    Â»Sie haben das große Los gezogen. Versauen Sie es sich nicht.«
    Â»Ich versuche mein Bestes, Captain.«
    Al ging zu der Leiche, wobei ihm unwohler war als sonst. Der Körper war vom Hals bis zu den Knöcheln mit einem weißen Laken abgedeckt und lag mit dem Gesicht nach oben auf dem frisch gemähten Rasen. Er ging mit einer Taschenlampe in der Hand neben der Leiche in die Knie und betrachtete die sterblichen Überreste der Frau. Ihr blondes Haar wirkte wie eben frisch frisiert. Nicht eine Strähne lag verkehrt. Doch für so eine junge Frau – sie schien in den Zwanzigern zu sein – kamen ihm die dunklen Ringe und die Tränensäcke unter ihren Augen sonderbar vor. Er war so auf sie konzentriert, dass er zusammenfuhr, als ihn jemand an der Schulter berührte. Betsy von der Spurensicherung stand über ihm und lächelte. »Hey, ein bisschen schreckhaft heute, Diaz?«
    Â»Ich bin immer angespannt, wenn ich neben einer Leiche knie«, sagte er und erhob sich leise stöhnend. »Meine alten Knochen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
    Â»Aha«, meinte Betsy, »aber dein Gesicht ist immer noch ganz hübsch.«
    Â»Genau das ist es, was ein vierzig Jahre alter Mann hören will«, erwiderte Al und sehnte sich nach einer entspannenden Zigarette. Das Rauchen hatte er schon vor ein paar Jahren aufgegeben, aber jetzt würde er hundert Dollar für eine Zigarette geben – fünfzig für einen langen Zug. »Was hast du bis jetzt herausgefunden?«
    Â»Das ist ziemlich merkwürdig«, meinte Betsy. »Die Leiche war komplett bekleidet, als wir am Fundort ankamen. Und wenn ich sage ›komplett‹, meine ich richtig aufge­takelt – einschließlich ziemlich teurer Stöckelschuhe.«
    Â»Wie teuer?«
    Â»Nun denn, sie trug ein Cocktailkleid von Carolina Herrera – das wird dir nichts sagen, aber das verdammte Preisschild hing noch dran. Es war an einem Knopf an der unteren Seite des Saums befestigt. Es stammt von Saks

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