Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
kommt sie nun, die minutiöse Aufzeichnung unserer Bemühungen in Sachen Jobrettung, der Beginn des »Verhörs« – Gottchen, ich hoffe, ich werde keine Daumenschrauben benötigen...
Zuhause, Freitag, 7. Januar, 18:00 Uhr
Also gut, jetzt heißt’s, seine Seele (und seine Würde) dem Teufel zu verkaufen und zum ersten – und hoffentlich letzten – Mal ins müffelnde Wasser des Speed-Datings zu springen. Glücklicherweise wird uns Sally aus der Buchhaltung begleiten – sie hat Erfahrung, es ist schon ihr zweites Mal. Weiß gar nicht, wie ich dir das beibringen soll, liebes Tagebuch, aber es scheint, als ginge sie tatsächlich in der Hoffnung hin, dort einen Jungen zu finden, der ihr gefällt. Sie war es, die mir versicherte, dass es vielleicht gar nicht so schlimm werden würde, wie ich fürchte. Erwarte trotzdem, den schlimmsten Abend meines jungen Lebens zu erleben. Warum? Schwer zu sagen. Aber ich glaube, mein Zynismus hat was damit zu tun, dass das Ganze verdächtig nach Schule stinkt. Der ganze Event ist auf eine Art aufgezogen, die mich an die schlechten alten Tage der Schulzeit erinnert – als könne man sein Liebesleben nicht selbst auf die Reihe kriegen und müsse die Hilfe einer Institution oder Autoritätsperson in Anspruch nehmen. Ärgere mich immer noch über die E-Mail, die ich zur Bestätigung meiner Anmeldung erhalten habe. Da heißt es: »Die Eintragung beginnt ab 18:30 Uhr. Die Veranstaltung fängt Punkt 19:00 Uhr an. Nachzügler müssen damit rechnen, dass sie erst nach der ersten Pause teilnehmen dürfen und auf diese Weise bis zu zehn Dates versäumen.« Ach ja, und das Rauchen ist nur in den Pausen gestattet! (Immerhin – kann ich ja noch dankbar sein.)
Gott, mir wird ganz übel, wenn ich sehe, wie schulmeisterlich das klingt. Weiß jetzt schon, dass ich es hassen werde. Weiß jetzt schon, dass – Scheiße, es hat geklingelt, das ist Sally. Muss los.
Damentoilette, All Bar One, Freitag, 7. Januar, 18:40 Uhr
Und da behauptet man, die Romantik sei tot?
Nun – zu Recht. Konnte mich nur kurz umschauen, bevor ich aufs Klo gerast bin, um dir, liebes Tagebuch, mitzuteilen, was deine Schreiberin erwartet ...
Also: Als ich vor wenigen Minuten eintraf, fiel mein widerwilliges Auge auf eine enorme Anzahl von aufgeputzten Tussis, die sich in einer ordentlichen Schlange die Charing Cross Road entlangreihten. Erster Eindruck: Die Männer (eindeutig in der Unterzahl) sehen aus wie ein zusammengewürfelter Haufen von Desperados, die Frauen dagegen wirken – ich geb’s nur ungern zu – total normal: modisch, erfolgreich, attraktiv. Meine Befürchtungen bewahrheiten sich also, noch bevor die Veranstaltung überhaupt angefangen hat. Wenn ich mir dieses Meer von Ben-Sherman-Shirts und Baseballkappen ansehe, dann weiß ich, dass die Romantik tatsächlich tot ist. Wo sind sie hin, die Zeiten, als ein Mädchen sich noch zurücklehnen und hofieren lassen konnte, die Zeiten, als es unter einer wohltuenden Anzahl heiratswilliger Kandidaten wählen konnte? Fort, vorbei, für immer.
Na jedenfalls, jetzt heißt es, die Zähne zusammenbeißen, allen Mut zusammennehmen und an das denken, was auf dem Spiel steht: der Job. Und Duncan ist immer noch nicht da! Ich hätte ihm am liebsten den Kragen umgedreht.
Einmal eingelassen, wurden wir aufgefordert uns hinzusetzen wie brave Schulkinder, nein, wie Affen im Zoo, die man begafft. Dann wurden wir aufgerufen, einer nach dem anderen, und bekamen unsere Namensschildchen ausgehändigt. Namensschildchen! Und Warten. Warten. Immerhin hatte man so die Gelegenheit, mit einem Auge die lachhaften Anweisungen zu studieren, die uns ausgehändigt worden waren, und mit dem anderen das zur Verfügung stehende Angebot an Männern – welches sich am besten so beschreiben lässt: eine Gruppe von militanten Streitern für die Verteidigung des »Landes, das von der Mode unberührt blieb«. Oder urteile ich zu hart? Nun ja, vielleicht, aber ich habe mir vorgenommen, diese blöde Recherche so zynisch wie möglich anzugehen und zu sehen, wohin mich das führt... Oh, ich höre, dass sich draußen vor meiner Toilettentür bereits eine Schlange gebildet hat, ich mache also besser Schluss.
All Bar One, 19:10 Uhr
Sitze mit Duncan und Sally auf einem Sofa und warte auf Einlass ins »Paradies«. Jeder von uns hat einen billigen Fast-Love-Kuli ausgehändigt bekommen, dazu das unaussprechliche Namensschildchen und die Bewertungskarte samt dazugehörigen Instruktionen. Alle
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