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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Laken zum Vorschein kam, das etwas verhüllte, was ganz wie eine Statue
     aussah.
     
    Ludovico Ranieri war in einem Antiquitätengeschäft aufgewachsen und in einem Haus, das besser bestückt war als viele Museen.
     Er hatte Hunderte, nein Tausende Sammlerstücke gesehen, manche so kostbar, dass man ihren Wert kaum ermessen konnte. Aber
     noch nie hatte er etwas zu Gesicht bekommen, was man auch nur entfernt mit dieser lebensgroßen bronzenen Frauengestalt, mit
     ihren weichen, vollkommenen Formen, hätte vergleichen können. Wer behauptete, Schönheit sei relativ, man könne sie nicht messen, |37| sie variiere je nach Kultur und Gebräuchen der unterschiedlichen Völker, der war ein Ignorant und Kleingeist. Angesichts dieser
     Statue wäre jedem, vom Direktor des Louvre bis zum Eingeborenen im Amazonas-Urwald, der nie einen Weißen gesehen hatte, der
     Mund offen stehen geblieben, und er hätte ebenso andächtig und schweigend verharrt, wie Ludovico und Pater Antiochus es gut
     zwei Minuten lang taten.
    »Der Kopf fehlt«, sagte schließlich der Priester.
    »Das sehe ich«, antwortete Ludovico. Das war ein unschätzbarer Verlust, aber die Grazie und die Harmonie der Skulptur konnten
     keinen anderen Schluss zulassen, jedenfalls für das Auge des Experten, als dass sie von der Hand eines großen Meisters stammte,
     vielleicht des größten aller Zeiten. Er hatte die Gestalt einer sinnlichen und gleichzeitig furchteinflößenden Frau geschaffen.
     Der linke Arm raffte das Gewand, der rechte war angewinkelt, in einer Stellung, die schwer interpretierbar, aber außerordentlich
     graziös wirkte. Es war ein verstümmeltes Meisterwerk, aber das galt im Grunde auch für die Nike von Samothrake. Wenn seine
     vielen Jahre des Studiums nicht umsonst gewesen waren, dann könnte Ludovico schwören, dass diese sagenhafte Statue ebenso
     wertvoll war, denn die weltweit existierenden Bronzeskulpturen dieses Ranges konnte man an den Fingern einer Hand abzählen.
    »Was mein Vater Ihnen erzählt hat … darf ich das erfahren?«, fragte Ludovico, kaum dass er sich wieder gefangen hatte.
    Der Priester nickte. »Er selbst hat mich darum gebeten. Andernfalls wäre ich an das Beichtgeheimnis gebunden. Aber viel hat
     er mir nicht gesagt. Nur dass die Statue vor fast vierzig Jahren im Meer vor der Insel Ventotene gefunden wurde. Und dass
     er, um sie zu bekommen, einen Mann getötet hat. Er sagte mir, es sei ein Unfall gewesen, |38| aber aus Angst, entdeckt zu werden, und wegen seines Schuldgefühls beschloss er, die Statue zu verstecken und zu vergessen.«
    »Und kein Mensch hat je nach ihr gesucht? Niemand weiß von dieser Geschichte?«
    »Das hat er mir nicht gesagt«, gestand der Priester und breitete bedauernd die Arme aus.
    In Ludovico stieg wieder die Wut auf den Vater hoch. Und auf diesen Volltrottel im Talar, der den Alten das Wichtigste nicht
     gefragt hatte.
    Ventotene kannte er gut. Ende der sechziger Jahre, ehe die Krise sein Vermögen aufzehrte, hatte Settimo Ranieri auf der Insel
     eine wunderschöne Villa gekauft, mit Zugang zu einem Privatstrand und Liegeplatz für eine Yacht. Ludovico hatte dort oft die
     Ferien verbracht. Nach der Scheidung war die Villa auf seine Mutter überschrieben worden und so dem Ruin entgangen. Es war
     ein abgelegenes, romantisches Plätzchen, das man von Formia aus per Boot erreichen konnte, ohne durch den Ort zu müssen. Ludovico
     hatte dort die Wochenenden mit dem besten Sex seines Lebens verbracht, während Frau und Kinder in den Bergen weilten.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte er, mehr sich selbst.
    »Worum Signor Settimo gebeten hat. Wir bringen diese Statue wieder ans Licht der Öffentlichkeit und geben sie ihrem rechtmäßigen
     Besitzer zurück: dem italienischen Staat.«
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Pater.«
    »Es ist der Letzte Wille eines Sterbenden.«
    »Eben. Es ist klar, dass mein Vater im Delirium war. Überlegen Sie doch: Weshalb hat er sie nicht selbst schon längst zurückgegeben?
     Er hatte schließlich vierzig Jahre Zeit dafür.«
    Der Priester machte einen steifen Rücken und schaute |39| ihn streng an. »Was möchten Sie folglich tun? Sie behalten?«
    Ludovico blähte den Brustkorb und antwortete mit gekränkter Miene: »Pater, ich werde bald Abgeordneter der Italienischen Republik
     sein. Glauben Sie, ich könnte meinem Land ein Stück seines legitimen Eigentums vorenthalten?«
    Sein Gegenüber hob eine Augenbraue, als wollte er sagen: »Ist

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