Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
ist. Entgegen der ursprünglichen Planung gucken wir uns noch den 3:1 Sieg von Barcelona gegen Manchester United an. Die Spanier stehen Kopf. Die Herberge ist Gott sei Dank nicht abgeschlossen, als wir weit nach 22:00 Uhr heimkehren …
29.05.: Itero de la Vega – Villalcázar de Sirga (29,1km)
In dem Ort ist heute Morgen nichts Essbares aufzutreiben, ohne zurückgehen zu müssen – das mache ich ja schon mal gar nicht. Ich entscheide mich, weiterzugehen und erst nach 8,6 Kilometern im nächsten Ort zu frühstücken. Ich muss ja auch noch meinen Pulli in der Kneipe von gestern holen, wo ich ihn nach dem Spiel habe liegen lassen. Das Wörterbuch gezückt, den Satz gebildet, geht es zur Kneipe … hoffentlich stellen sie keine Gegenfragen, da hab ich nämlich wenig auf Lager, um zu antworten. Nach einigem Hin und Her habe ich den Menschen überzeugt, michin die Kneipe zu lassen, und mein Pulli hängt sogar noch da. Es wäre ein schmerzlicher Verlust gewesen, ihn zu verlieren, ganz zu schweigen von dem finanziellen Aufwand!
Schmerzlich werden allerdings die Kilometer bis zum Frühstück. Knackige neun Kilometer bedeuten knapp zwei Stunden Weg. Ich bin ja schon öfters auf dem Weg frühstücken gewesen und habe auch schon zu Hause morgens auf nüchternen Magen Sport gemacht … aber das ist zuviel. Meine Stimmung ist unterirdisch schlecht … als ich die Drei, Francesca, Lucinda und Margret treffe. Sie bauen mich zumindest ein bisschen auf. Aber wirklich helfen wird nur das Frühstück. In der Stadt angekommen sieht es schlecht aus. Andreas hat uns eingeholt und beschließt nach erster vergeblicher Suche weiterzugehen. Nicht mit mir … in dem Kuhdorf muss es doch was zu essen geben! Ich suche weiter, habe ein Hinweisschild gesehen. Die Mädels warten an der Stelle auf ein Zeichen von mir. Ich kann Gott sei Dank positive Nachricht geben. Eine schöne Herberge mit künstlerisch gestaltetem Garten wartet mit einem guten Frühstück, bestehend aus einem wirklich großen Kaffee und anderthalb guten Boccadilios für mich auf. Jetzt ist der Tag wieder mein Freund, auch wenn es anfängt, zu regnen. In dem Café treffe ich Richard, der zu berichten weiß, dass Sandy in dem Kleinod von Kloster geschlafen hat, an dem ich gestern vorbeigelaufen bin, weil ich nicht warten wollte. Er ist heute spät losgegangen, also nun entweder kurz hinter oder, durch das Frühstück, sogar vor mir.
Ich mache mich auf den Weg, treffe unterwegs noch Bekannte, die erzählen, dass Sandy voraus ist, nicht weit. Ich ziehe das Tempo an … ich muss den Kamerad doch einholen können. Das tue ich dann auch, ohne es zu wissen. In der nächsten Stadt werde ich auf einen einsamen Rucksack aufmerksam, der vor einer Bar steht. Ich gehe in die Bar, kaufe ein Eis und versuche, mit Spanischbrocken, einer Hand – in der anderen halte ich das Eis – und beiden Füßen herauszufinden, wem der Rucksack gehört. Nach meinem Verständnis meine ich, dass er einem Pilger mitFahrrad gehört, der gerade auf Toilette ist. Also kein Sandy – ich gehe weiter, auf einen vom Klo kommenden Radfahrer brauche ich nicht zu warten. Später stellt sich heraus, dass ich zwar den Rucksack erkannt – es war Sandys – dafür aber die Aussage vom Barmann wohl falsch verstanden hatte *hrrrrrmpf*. So ziehe ich weiter, das Tempo hochhaltend, um ihn vielleicht doch noch zu erwischen. Ich gehe die alternative Route, um der Straße zu entkommen und begegne erst einmal keinem Pilger.
Zwei Stunden später und ein paar Dörfer weiter treffe ich Nick von gestern Abend. Ein Mensch mit sehr durchdringender, lauter Stimme. Er gibt Reikimassagen, den Aussagen anderer Pilger zufolge auch wirklich gut. Das steht im krassen Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten. Für jemanden, der mit Energie arbeitet und sich auf seine Intuition und sein Gefühl verlassen muss, agiert er in den Gesprächen ohne das von mir erwartete Feingefühl. Ich bin hin und her gerissen, wo ich ihn einordnen soll. Wir haben auf jeden Fall ein interessantes Gespräch und gehen immer weiter. Eigentlich hätte die Stadt schon kommen sollen, oder? An der nächsten Straße beschließen wir, den Weg am Fluss zu verlassen und nach links abzubiegen. Ein paar Meter weiter steht eine alte Kirche. Da sitzt Andreas kauend und macht eine Verschnaufpause. Wir gesellen uns dazu und sind uns nach einem kurzen Blick in unsere unterschiedlichen Reiseführer einig, dass unser Ziel für heute nur 1-2 Kilometer entfernt liegt. So ist es dann
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