Keiner wie er (German Edition)
und wusste, warum es sich so verhielt. Und auch deshalb hasste sie diesen Mann, der nach so vielen Jahren immer noch jede ihrer Entscheidungen beeinflusste und mit jedem Scheiß bei ihr durchkam.
Offensichtlich würde es sich niemals ändern.
* * *
Mit Händen und Füßen setzte sie sich zur Wehr ...
… und verlor.
Auch Tina konnte sich der ganz eigenen Atmosphäre nicht verschließen. Deshalb hütete Daniel sich, ihr ins Gewissen zu reden. Zum Beispiel wegen ihrer Kleiderordnung, ihrer täglichen Make-up-Arie, oder den lächerlichen Mausportionen.
Der Zauber wirkte, wie er es immer tat. Vor zehn Jahren fiel es ihm nur nicht auf, er nahm es als gegeben, hinterfragte es nicht. Und wenn überhaupt, dann glaubte er, es läge daran, weil mit ihr eben nichts lief. Heute war er schlauer. Gemeinsam stellten sie etwas dar. Es herrschte Einigkeit zwischen ihnen, kein Streit, keine boshaften Diskussionen kamen auf. Nicht einmal jetzt, in dieser doch eher brisanten Situation. Jedenfalls, wenn sie das Thema Kidnapping außen vor ließen. Okay, und die anderen dreitausend Reizthemen, die zwischen ihnen schwebten. Es lag wohl eher daran, dass sie nicht streiten wollten , sondern die Ruhe suchten.
Obwohl er bisher nur mit Ann zusammengelebt hatte, konnte er den gravierenden Unterschied inzwischen gut einschätzen.
Mit keiner war es jemals wie mit Tina gewesen.
* * *
Nach einem weiteren Tag schien es beinahe, als wären die beiden endlich dort angelangt, wo sie vor zehn Jahren aufhörten.
Stellenweise, wenn Tina sich vergaß, wirkte es fast, als hätten sie nicht stattgefunden. Sicher, dazu musste man sich ihr verändertes Äußeres wegdenken, auch den bitteren Blick, sobald sie sich bei einem vermeintlichen Fehler ertappte. Doch sie kam – wenn auch langsam.
Selbst an sich bemerkte Daniel Veränderungen. Es verblüffte ihn – bisher hatte er sein Leben als durchaus gut und ausgefüllt betrachtet. Ein Irrtum. Denn er genoss es, hier zu sein. Noch nie hatte er so schändlich wenige Gedanken an die Klinik, die ÄOG oder die WHO verschwendet. Alles schien momentan weit von der Realität entfernt.
Nur leider konnte er den Kalender nicht vergessen. Heute war der 30. März. Was bedeutete:
Ihm blieb ein Tag, um die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken. Nur, er wusste nicht wie, verdammt!
Am Ende entschied er sich für das Nächstliegendste.
Nach dem Lunch musterte er sie mit gerunzelter Stirn. „Meinst du, du kannst in diesem Aufzug spazieren gehen, Hunt?“
Sie blickte an sich hinab. „Ich kann in diesem ‚Aufzug’ alles, Grant.“
„Spazieren gehen genügt mir fürs Erste“, grinste er.
„Fürs Erste ...?“
Das ignorierte er. „Wollen wir ein wenig gehen?“
Schon wurde ihr Blick argwöhnisch. „Wohin?“
„Spazieren“, meinte er schulterzuckend. „Kennst du das nicht?“
„Doch, die Erfindung des Spazierengehens ist mir durchaus geläufig.“ Entnervt verdrehte sie die Augen. „Ich habe nur keinen Schimmer, was du damit bezweckst. Soweit ich das einschätzen kann, befinden wir uns hier in der grünen Naturhölle. Welches Ziel ...“
Diesmal stöhnte er erschöpft auf. „Also, schlag mich, aber irgendwie sind dir Sinn und Zweck eines Spaziergangs nicht mal annähernd geläufig. Was ist, kommst du jetzt?“
Der misstrauische Blick blieb, und sie benötigte mal wieder eine ganze Weile, bevor überhaupt eine Antwort erfolgte. „Sicher, unternehmen wir doch mal einen wirklich entspannenden Spaziergang.“
Gnädig ignorierte er ihren Sarkasmus und beäugte stattdessen ihre Schuhe. „Du meinst, das funktioniert mit den Dingern?“
„Es tut mir sehr leid!“, wurde er prompt angefaucht. „Als ich meine Sachen packte, wusste ich nicht, dass ich demnächst unter die Pfadfinder gehe.“
Das Argument war nicht ganz aus der Luft gegriffen, deshalb ging Daniel besser nicht darauf ein. Sie würden eben langsam laufen.
Sehr langsam …
* * *
Dieser Tag entpuppte sich als der schönste während ihres gesamten Aufenthaltes.
Der Frühling, bisher mehr ein Gerücht, setzte sich endlich durch. Überall sah man die bunten Blüten der ersten Blumen des Jahres, die sich sehnsüchtig der Sonne entgegen reckten. Und auch Daniel legte den Kopf in den Nacken und genoss die Wärme im Gesicht. Hier, im dichten Wald, erreichte sie nur selten den Boden. Es genügte jedoch, um neuen Mut zu fassen. Wofür auch immer.
Tatsächlich kam Tina nur sehr langsam voran. Vorsichtig trippelte sie den Weg entlang und
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