Keiner wie er (German Edition)
versuchte, die zahlreichen potenziellen Unfallverursacher weiträumig zu umgehen. Die Erfolgsaussichten erwiesen sich als eher fragwürdig. Der Pfad besaß nur eine sehr geringe Breite.
Nach einhundert Metern blieb sie das erste Mal im recht feuchten Boden stecken. Überlegen löste sie das Problem, die Miene blieb unbeeindruckt, als sie den Schuh behutsam aus dem schlammigen Morast zog und hoch erhobenen Hauptes weiterlief.
Beim zweiten Mal hob sie eine Augenbraue, beim dritten bildeten ihre Lippen einen schmalen Strich, beim vierten traf Daniel ein hasserfüllter Blick und beim fünften verlor Tina endgültig die Beherrschung.
„ Scheiße! “, knurrte sie. Der nächste verachtenswerte Blick traf Daniel. „Das findest du witzig, ja? Erst verschleppst du mich in diese Taiga, und dann amüsierst du dich darüber, wenn ich mal wieder den Clown des Tages gebe. Du fühlst dich aber gut, Grant?“
Mühsam unterdrückte er sein Gelächter. Er hätte sie tatsächlich frühzeitig über seine Pläne (unbekannterweise) informieren sollen, um ihr Gelegenheit zu geben, sich in einem zünftigen Outdoor-Shop entsprechend einzukleiden.
Dann ging er seufzend zu ihr zurück. „Sorry.“
„Vergiss es!“
„Es tut mir ehrlich leid.“
„Pah!“
„Tina ...“ Behutsam strich er diese, ihr ewig ins Gesicht hängende Strähne hinter das Ohr. Den aufkeimenden Argwohn übersah er, nahm ihre Hand und registrierte erleichtert, dass sie die Geste nicht spöttisch kommentierte. Allerdings lag das wohl eher an ihrem Selbsterhaltungstrieb. Allein würde sie hier wohl nie mehr herauskommen. Jedenfalls nicht, ohne sich die Kleidung zu versauen.
Mit einem Arm um ihren Schultern zog er sie mit sich, ging sehr langsam, damit sie keine Schwierigkeiten bekam, und ignorierte ihren forschenden Blick.
„Morgen ist der 31.“, begann er nach einer Weile eher beiläufig.
„Zeit wird es!“
„Yeah, ich schätze, damit hast du wohl Recht.“ Mit zusammengekniffenen Augen fixierte Daniel einen imaginären Punkt in der Ferne. „Ich habe mich eingemischt. In dein Leben und deinen gewohnten Ablauf. Das tut mir nicht leid, es gab zu viele Gründe, die dafür sprachen. Deshalb weiß ich trotzdem, dass es nicht unbedingt der feinen englischen Art entsprach.“
„Ach?“
„Dass du mir das nicht abnehmen würdest, hätte ich mir denken können.“ Er verzog das Gesicht. „Ich sah dich und ich musste einschreiten, bevor ... es schief geht.“
Vergebens versuchte sie, von ihm abzurücken, sein Griff war zu fest, und nach einer Weile stöhnte sie ergeben. „Das war immer das größte Problem ...“
„Welches?“
„Dass du ständig der Ansicht bist, ich könnte ohne dich nicht überleben ...“ Sie wollte etwas hinzufügen, besann sich jedoch rechtzeitig.
„Ich ging“, sagte er leise.
„Ja.“
„Du auch.“
Darauf wusste sie nichts zu erwidern.
„Ich verließ dich damals, weil es keinen Ausweg gab. Du erinnerst dich? Afrika? Keine Ahnung, was danach folgen würde? Da war etwas zwischen uns. Viel. Wie viel, das wusste ich nicht. Es ging mir erst später auf. Aber nicht erst, als ich dich wiedersah. Ich ...“ Er runzelte die Stirn. „Ich schätze, ich habe dich gesucht, wenn ich auch nie bewusste Schritte einleitete. Ich dachte, ich sollte deine Entscheidung respektieren, dass du mit den Dingen abgeschlossen hast, auch wenn ich das nie konnte. Und als ich dich wiedersah ... Das warst nicht du, das bist nicht du. Was auch immer dir widerfahren ist, es muss ... vernichtend gewesen sein. Es bereitet mir große Sorge, Angst um dich, verstehst du? Doch nur deshalb wäre ich dir nicht gefolgt. Ich bin auch nicht neuerdings unter die Stalker gegangen. Wahrscheinlich hätte ich auf andere Weise zu helfen versucht. Aber da ist noch etwas. Bei dir. Vielleicht wirst du mir irgendwann erzählen, aus welchem Grunde du so bist. Ich will es erfahren, ich muss es sogar.“
Er blieb stehen und wandte sich ihr zu. Tina starrte beharrlich zu Boden, doch er zwang sie, ihn anzusehen. Kurz darauf blickte er in kühle Augen, die ihn eher gelangweilt musterten. Inzwischen hatte er gelernt, sie zu ignorieren. Auch wenn es ihm momentan ernsthafte Schwierigkeiten bereitete.
„Ich ... schätze, ich liebte dich bereits in Ithaka. Und daran hat sich nichts geändert. Alles was ich tat, entspricht riesigem Mist. Jetzt schlauer zu sein, ändert leider nicht viel. Ich weiß nicht, was du denkst, denn du sprichst nicht mit mir. Bitte, Tina ... Dies wäre ein
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