Keinmaerchen
was mit ihm geschah. Er war nur hier, um zu jagen, auch wenn er noch nicht wusste was das sein würde. Er würde es finden, das Besondere, und zur Strecke bringen, aber nicht jetzt; er war müde und rollte sich dicht an der Hecke zusammen. Ob man in den Traumländern schlafen konnte? Das Weinen war zu einem steten Wellenrauschen geworden, lullte ihn ein – durfte man in den Traumländern schlafen? – und langsam fielen ihm die Augen zu.
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Die Beine angewinkelt, den Kopf auf den Knien kauerte sie unter einem eisernen Baum. Ihr Haar war strähnig und scheinbar wochenlang nicht gekämmt worden. Conchúbar näherte sich dem Mädchen vorsichtig, um sie nicht aufzuschrecken.
Der Boden rund um den Baum war mit Scherben übersät. Grelles, weißes Licht verwandelte die Glassplitter in ein rotes, wogendes Meer. Kühler Wind pfiff durch die Astlöcher und erfüllte die Luft mit einem monotonen Kanon aus Tönen, die nicht zusammenpassten, zerrte an den Zweigen, die sich nicht einen Deut bewegten. Nur die roten Äpfel in der blattlosen Baumkrone schwangen hin und her, bis sich einer davon löste, zu Boden fiel und zerbrach; dem Scherbenmeer weitere Wellen hinzufügte.
Das Mädchen hob den Kopf und Conchúbar hielt inne. Hatte er nicht eben noch im Schatten der Hecke gedöst, eingelullt vom Weinen eines Kindes? Wie war er hierher gelangt? Er rieb sich über die Schläfen, hinter denen es leise pochte, als suchten seine Gedanken einen Ausgang aus dem Schädel.
Die Augen des Mädchens blickten leer und kraftlos durch Conchúbar hindurch, fixierten einen Punkt hinter ihm und schlossen sich, bevor sie den Kopf wieder auf die Knie sinken ließ.
Zwei schrittweit neben dem Baumstamm schwebte ein Bienennest über einem Brunnen, aus dem ein aggressives Summen drang, das das Klopfen in Conchúbars Schädel übertönte. Er setzte seinen Weg fort, doch bevor er das Kind erreicht hatte, strömten die Bienen aus und hüllten den Oberkörper des Mädchens in eine metallisch glänzende Wolke. Drei feste Flügelschläge und er hatte das Kind erreicht, versuchte die Bienen zu verscheuchen, die sich sofort gegen ihn wandten. Ihre Stiche schmerzten, als injizierten sie Gift unter Conchúbars Haut, die auch sogleich anschwoll und Blasen um die Einstichlöcher bildete. Endlich zogen sie sich in ihr Nest zurück und erst jetzt hob das Mädchen wieder den Kopf. Auch ihre Arme und das Gesicht waren von Blasen übersät. Langsam strich sie mit einem Finger über ihren Arm, betrachtete die Einstiche und Schwellungen, teilnahmslos, als sehe sie sich ein Bild an, kein Schmerz, keine Angst, nur Verwunderung standen ihr ins Gesicht geschrieben.
Conchúbar zog vorsichtig den Eimer aus dem Brunnen, den Blick dabei auf das Nest gerichtet, in dem es unheilvoll summte, und trug ihn zu dem Kind, das den Kopf schon wieder auf die Knie gelegt hatte und still dasaß wie zuvor.
Er schöpfte etwas Wasser in der hohlen Hand aus dem Eimer und ließ es über die verletzten Arme des Mädchens rinnen, strich ihr mit der anderen Hand über den Kopf und sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen. Ihr starrer Blick klärte sich und sie schob sich dichter an den Baum heran, ungeachtet der Scherben, die ihre Beine und Handflächen zerschnitten.
Unschlüssig blieb Conchúbar an seinem Platz, erst als sie wieder den Kopf auf die Knie sinken ließ, wagte er es erneut, sich zu nähern. Er flüsterte beruhigende Worte und goss Wasser über ihre Wunden, berührte tröstend ihre Schulter. Und wieder zuckte sie zusammen, spannte die Muskeln an und begann zu schreien und ziellos durch die Scherben zu kriechen. Sie war bereits voller Blut und immer neue Wunden taten sich auf. Conchúbar wusste sich keinen Rat, als sie fest in seine Arme zu nehmen und zu wiegen, wie es sein Vater einst mit ihm getan hatte.
Ihr Körper zitterte, sie wand sich in seinen Armen wie ein Flussaal, trat und schlug nach ihm, biss in seine Schulter, und sie schrie lauter und lauter und Conchúbar spürte, wie die Furcht sich näherte.
Noch lauerte sie auf dem Grunde des Brunnens, doch sie wuchs, ihre Nägel wurden zu Krallen, ihre Zähne zu gefährlichen Waffen und sie lachte. Dieses hämische Lachen. Je lauter das Mädchen schrie, je mehr sie sich wehrte, desto größer wurde die Furcht. Größer und bedrohlicher.
„Sei still“, flüsterte er dem Kind ins Ohr. „Bitte, sei doch still.“ Doch die Kräfte des Mädchens schienen mit der Furcht zu wachsen und so drückte er ihr die Hand auf
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