Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
längst Alarmstufe bei mir ausgelöst haben. Ich versuche seine, an mir vorbeischauenden Blicke einzufangen: „Tut mir leid Freund! Ich habe gerade dafür Essen gekauft“ sage ich ihm, und schiebe die Kekse und Bananen in seine Richtung.
„Komm! Ich teile es mit Euch.“ Er verzieht abwertend seine Miene: „Pfu i Kekse!“
Damit hat sich die Sache erledigt. Er dreht sich um, und sie hauen ab.
Nach dem Abendmahl suche ich weiter nach einem Schlafplatz. Am West End, am Hudson Ufer sitzt ein Junge auf der Bank und spielt Gitarre in der Dunkelheit.
„Störe ich?“ frage ich ihn.
„Mich nicht, aber vielleicht kriegst du Kopfschmerzen von meinem Geklimper.“ antwortet er mit übertriebener Bescheidenheit. Denn er drückt so angenehme Akkorde, dass ich mich auf der Nachbarbank lang mache und grinse, wie ein überreifer Apfel, der die Maden erneut erfolgreich abgewehrt hat. Die Zeit bleibt eine Weile stehen, und es existiert nur dieses weiche Rhythmusgewebe, unterstützt von dem Gemurmel vorbeiziehender Autos. Aber dann beschleunigt sich alles. Der Kumpel hört auf zu spielen, und fragt mich:
„Sag mal , was suchst du eigentlich hier?“
„Hm, eine Nachtasyl ...“
„Nun, das wirst du hier wohl kaum finden.“
„Na ja “ murmele ich vor mich hin, „dann geh‘ ich doch in den Central Park.“
„Meinetwegen, mach was du willst. Aber, eins sage ich dir, wenn du heute im Central Park schläfst, bist du morgen vielleicht ein toter Mann.“ Damit klemmt er seine Klampfe unter den Arm, und ich bin wieder allein.
Okay, also eine Penne hier in der Gegend suchen. Aber wo? Hier ist alles so geregelt, ordentlich und die Wächter in den hell beleuchteten Hauseingängen blicken ganz misstrauisch. Oder doch: Da drüben ist eine Kirche! Nun mal sehen wie es mit der christlichen Nächstenliebe ist. Und ich hab richtig Schwein! Der Diensthabende ist so überrascht über meine naive Frage, dass er es siebzehn Male wiederholen muss, es handele sich hier und jetzt um eine absolute und einmalige Ausnahme, dass er mich heute Nacht hier schlafen lässt und, dass es mit Brückenschlagen zwischen Christen und Kommunisten zu tun hat, damit wir uns besser kennen und schätzen lernen, denn wir sind alle Menschen, für die sich Jesus an das Kreuz schlagen ließ. Ich bin froh und gerührt, dass die Nägel in Christi's Händen auch mit mir zu tun haben. Na, dann Halleluja! Aber erst soll ich mich für zwei Stunden verdrücken: „Lass dein Gepäck hier und komm nach zehn Uhr zurück, kurz vor dem Schließen, da störst du niemandem mehr.“
Yehuu, leicht sind meine Beine. Sie ziehen – ach was! – sie schweben mit mir nach Norden, durch Spanisch Harlem. Die Straßen sind belebt von alten und jungen Leuten, die in Grüppchen stehend sich unterhalten oder fröhlich lachen. Ein riesiger Ghettoblaster, der neben einem Hauseingang steht schleudert Samba in den Abend. Musik durchwebt die Straße, Rhythmus pulsiert in den Beinen, in den Händen, in den Stimmen und zuckt blitzartig die Häuserwände empor, um den Leuten, die sich aus den Fenstern lehnen, die Stirn zu küssen. Er kriecht mir unter das Hemd, kitzelt mich heiter und hilft mir mit der Umgebung zu verschmelzen.
An der Ecke vor dem Tante Emma Laden stehen Männer und nuckeln an ihren in Papiertüten versteckten Flachmännern. Ein Dealer steuert auf mich zu:
„Ich hab’s ...“
„Ich hab’s aber nicht“ zucke ich mit den Schultern, ohne stehen zu bleiben. Er versteht es nicht, bleibt mir auf den Fersen und beteuert, dass seine Ware die beste und billigste sei. „Okay, okay aber ich habe jetzt kein Geld.“
„Hää?“ Er ist aus dem Konzept und bleibt mir vom Halse, wie der zweite und dritte Dealer. Sie gucken alle verwirrt und verstehen die Welt nicht und vor allem nicht, was dieser weiße Hippie hier sucht, wenn er nicht mal den besten Stoff kaufen will. Ja, und wenn ich ihnen noch auf die Nase binden würde, dass ich nicht mal so’n Zeug rauche ... Nein! lieber nicht.
In den weniger belebten Straßen habe ich mehr Ruhe vor ihnen. Dort muss ich bloß die in Plastetüten gestopften Müllberge umkurven. Es sind nur wenige Menschen zu sehen, wie zum Beispiel die beiden Fixer, die jetzt gerade auf dem Trip sind. Sie schauen einen Augenblick zu mir hin, notieren, dass ich von einem anderen Planet komme und düsen weiter, neben dem Loch an der eingemauerten Haustür im Sitzen auf der Treppe.
Gute Nacht Kumpels, Gute Nacht ihr ausgebrannten, eingemauerten
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