Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
glatt. Der Ozean schickt mir giftgrüne Wellen entgegen, die an den Felsen zerschellen und meine Mokassins und die Hosenbeine platschnass lecken. Ich kann mich, als ich die Brücke endlich erreiche, schon wieder auswringen. Kein Problem, die Sonne wird mich schon trocknen...
Haha, gerade sie. S ie kümmert sich ein grauer Regenbogen um mich. Sie kann es doch gar nicht ahnen, dass es mich überhaupt noch gibt, denn es lagern böse Milchwolken zwischen uns. Ich kann in diesem Nebel nicht mal bis zu den Brückenpfeilern sehen. Die auf die Brücke zurollenden Autos verschwinden in einer Milchstraße, die sie mitsamt dem Asphalt und den mutlos-roten Brückenpfeilern in ihrem weißgrauen Magen verschlingt. Ich kann nur das Knurren von der allmählichen Verdauung hören. Ich hoffte, wenn ich schon den Sonnenuntergang verpasst habe, die Golden Gate in ihrem morgendlichen Sonnenbad bewundern zu können. Aber ich muss meine Hoffnung schnell aufgeben.
Unten an der Bucht-Seite, vom Strand aus betrachtet , zeichnet sich die Brücke in ihrer vollen Länge ab. Aber niemals in einem Stück. Mal ist diese Seite, mal die andere im Nebel, und von den hohen Pfeilern schimmert auch immer nur eine kleine Scheibe durch. Ich bin fasziniert und treibe mein Puzzlespiel. Der Nebelschleier bewegt und verändert sich ohne Unterlass, aber er lüftet sich, um Himmelswillen, nie zweimal hintereinander an derselben Stelle. So muss ich ein Bild aus flüchtigen Details in meinem Gedächtnis zusammenfügen, was mir so hervorragend gelingt, dass ich, dank meiner Phantasie, ständig die ganze Brücke vor meinen Augen habe.
Ich stehe regungslos barfuss in dem kalten Sand. Warm angezogene Jogger keuchen an mir vorbei und drehen Gewinde in ihre Hälse, als sie mir verständnislos nachschauen.
Es peilen mich zwei große Schäferhunde an, beschnuppern mich und wundern sich, dass dieses Denkmal, das so sehr nach Mensch riecht, gestern noch nicht hier stand. Ich muss mich bewegen sonst, ich fürchte, sie weihen mich noch ein.
Sie holen mich aus meinen Träumereien. Ich beschnuppere mich selber und... ja, ja es ist schon höchste Zeit zu baden. In der Stadt muss man stundenlang für einmal Gratisduschen anstehen. Dann gehe ich lieber gleich hier in die kalte Salzwasserbadewanne.
Au, das Wasser ist kalt. Die dicke Frau, der die Hunde gehören, betrachtet mich mit Entsetzen. Vielleicht, weil ich nackt bin? Aber nein. Als ich bis zur Hüfte ins Wasser wate, ist sie noch mehr durcheinander. Sie steht viel zu weit entfernt von mir, um ihre Gesichtszüge erkennen zu können. - Ich habe abgewartet, bis sie außer Schamgrenze ging, bevor ich mich auszog. - Aber ich sehe es ihr an, dass sie jetzt mehr friert als ich.
Ich komme mit klappernden Zähnen aus dem Wasser und fühle mich wunderbar, als hä tte man mich ausgetauscht. Na klar, Johannes der Täufer hat auch die Leute unters Wasser gedrückt, damit sie neugeboren werden. So fühle ich mich jetzt. Seelisch, körperlich neugeboren. Die Jogger sehen mich natürlich ganz anders, für sie bin ich ein Verrückter, und es ist gut so. Das schützt mich vor ihren Blicken, während ich in Unterhose gekleidet meine Liegestütze absolviere.
Die Sonne lacht mich erst an, als ich schon weit in der Innenstadt bin.
„Haha“ sagt sie, „Siehste, siehste, wenn du noch ein wenig Geduld hättest, hätte ich deine nasse Gänsehaut am Ufer trockengewärmt.“
„Ach, lach ruhig, du alte Gaunerin. Du kannst meinetwegen gleich für eine ganze Woche verschwinden, ohne mich dabei in Panik zu versetzen.“
Trotzdem sauge ich mit Wonne die Sonnenstrahlen in mich und lade mit ihnen die Sonnenkollektoren meiner Zellen auf. Erst dann schwinge ich mich in einen Trolleybus. Aber das Frühstück ist schon passè.
Unweit von der Jones Street treffe ich einen in rot-gelb gestreifter Weste gekleideten Straßenfeger, dessen Gesicht mir bekannt vorkommt. Klar, aus den Suppenk üchen.
„Tag!“ grüße ich ihn. „Hm, wie kommt es, dass du eine Arbeit hast?“
„Einfach. Gestern bin ich
zum Arbeitsvermittler gegangen.
Sie konnten mir vorläufig nur das hier geben. Aber es ist O.K. Vierzig Dollars am Tag. Ganz bequem. Wenn du auch arbeiten willst, geh einfach in die Bryant Street, wo der Gerichtshof ist, dort ist das Arbeitslosenamt, und sie helfen dir. Du brauchst nur einen Zettel ausfüllen. Das ist alles.“
Na ja , so einfach ist es eben doch nicht. Der Sachbearbeiter am Schalter drückt mir einen großen Fragebogen in die
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