Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Platz auf dem einmeterhohen, mit Matratzen ausgelegten, Podest, das die rechte Ecke des Saales in der ganzen Breite einnimmt, zu erstehen. Die Betreiber wollen anscheinend nicht, dass man hier tagsüber herumpennt, denn die Matratzen sind quer gelegt und ich muss meine Beine hochziehen, weil das Podest so schmal ist, dass ich schon mit eingewinkelten Beinen, den Kopf gegen die Wand stoße. Mich umdrehen oder zu Seite strecken, kann ich nicht. Wir liegen so dicht, wie die Heringe, mindestens zwanzig Kumpels in der Reihe. Also herumhängen, rumrauchen, Karten spielen und fernglotzen, das ist das Leben! Für die Nacht habe ich jedoch keine Chance. Dazu hätte ich mich mittags um Eins für eine Nummer anstellen müssen. Also noch einmal anstehen! Ich könnte bis um Elf abends, wenn sie den Raum für die Nacht umfunktionieren, hier herumfaulenzen, und dann hoffen, dass ich doch noch irgendwie einen Platz erwische. Nein, ich doch nicht! Nein Baby, nicht heute. Dann gehe ich lieber zum Ozean hinunter. Ja! Dasisses,
runter zur Golden Gate.
Also, ich habe noch eine Stunde bis Sonnenuntergang. Es muss bestimmt wunderschön sein, den roten Koloss bei den letzten Sonnenstrahlen zu sehen...
Meine Beine ziehen mich, und ich wate schon durch die Straßen. In einer Bushaltestelle warten einige Männer und, ich denke eine, ja genau, eine Frau in der letzten Wärme der Sonne. Einige Schritte von uns sitzt ein Schwarzer Typ in weißem Anzug auf dem sauberen Beton, den Rücken an die Wand gelehnt und die Beine ausgestreckt. Er macht es sich locker und bequem, hat keine Lust zu stehen, bis der Bus kommt. Ich wäre auf ihn gar nicht aufmerksam geworden, wenn er die hübsche Mulattin, die vor mir läuft, nicht ansprechen würde. Sie hat eine ansehnliche schlanke Figur mit einem runden Po in engen, weißen Hosen.
„Äjj!“ ruft er aus. „Hey, Lady, weißt du, dass du wahnsinnig sexy bist!?“
Die Frau dreht sich kokett um, und lächelt ihm zu. Der Kerl macht eine Gebärde, als würde er gerade Honig lecken, und sagt kop fschüttelnd:
„Wenn du wüsstest, Lady, wie wunderschön deine Hose von hinten aussieht!“
Die Frau ist aber nicht auf den Kopf gefallen. Sie dreht sich noch mal um, aber mit so einer Wü rde, dass man daran sehen kann: Sie weiß es! Und der Mann setzt fort.
„Ich würde dir gerne, Lady, den Hof machen. Es muss toll sein, mit dir zusammen zu sein. Aber, weißt du, Lady, ich bin leider auf die Jungs eingeschworen. Ich bin nämlich schwul.“ Er öffnet seine Hände, und es tut ihm wirklich leid.
Aber, was soll man tun, wenn die Dinge schon so stehen. Der Bus kommt gerade an, er steht auf und stellt sich hinten an, um einzusteigen. Die Männer in der Haltestelle schauen ihn nicht verdutzt an, nach dem Motto: “Was quasselt der Typ hier?“ Nein, sie jagen mit ihren verstohlenen Blicken der Lady hinterher, um zu sehen, ob sie wirklich so einen sexy Arsch habe.
Ich laufe weiter und schalte erst eine Stunde später, dass ich den Bus hätte nehmen müssen, um noch beim Sonnenuntergang an der Brücke anzukommen. Nun, ist es zu spät. Die Stadt ist in meinem Rücken, um mich herum ist ein finsterer Wald, und ich laufe zu Fuß auf einer Autostraße. Von Mal zu Mal höre ich aber das Wasser irgendwo rauschen. Dann vernehme ich Gitarrenstimmen in dem Wind, und ich taste mit meinen Füßen in die vermeintliche Richtung...
Ich kann die Umrisse zweier Jungs, die auf einer f estungsähnlichen Betonmauer sitzen und ihre Klampfen plärren, ausmachen. Sie proben gerade irgendwelche Lieder.
„Störe ich, Jungs?“
„Wenn wir dich nicht stören, dann ist’s uns egal.“
Ich bin ausgesprochen Fan ihrer Musik. Vor allem muss ich in dieser fremden Nacht hier das Dunkle nicht alleine ertragen. Nach ihren Stimmen zu urteilen, müssen sie noch ziemlich jung sein. Sie dreschen hemmungslos die Gauner artigen Blues-Songs und Balladen. Aber sie bescheren mir nach kurzer Zeit wieder das Alleinsein. Nur das rote Rücklicht ihres Wagens bestätigt mir kurzweilig, dass sie zuvor wirklich noch hier waren. Ich rolle meinen Schlafsack zwischen dem Gestrüpp aus. Aber ich werde binnen kurzem durch und durch nass, wie ein Waschlappen. Unausgewrungen fliehe ich zu einem Eingang des Betonbunkers.
Der Morgen, an dem ich erwache, ist arg und Romantik tötend. Unter mir ist Beton, hinter mir ist Beton, überall nur Beton. Sogar die Sonne ist in grauen Dunst gehüllt, als hätte sich der Beton in Nebel verwandelt. Das Ufer ist glitschig
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