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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Virág
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ganze Zeit bei uns steht und andauernd nickt, meint dazu:
    „Ja, unsere Leute suchen das Übel immer bei den Russen. Keiner redet davon, dass amerikanische Ärzte, in amerikanischen psychiatrischen Kliniken an amerikanischen Menschen dreißig Jahre lang Atomtests durchgeführt haben.“
    Während er das sagt, diskutieren schon die Ärztin und der Psychologe in einer anderen, kleinen Gruppe. Ich rotiere mit meinem Kopf hin und her. Auf der Bühne redet wieder der sympathische Oberschwule. Eine Frau, die sich selbst Kommunistin nennt, schimpft über den Paragraphenentwurf ‘63’:
    „ Der ‘Dreiundsechzig’-er ist eine chauvinistische Diskriminierung. Sie wollen damit erreichen, dass Englisch die einzige offizielle Sprache in Kalifornien bleibt. Sie wollen damit Millionen von Menschen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, diskriminieren. Das betrifft in erster Linie die Mexikaner, denen Amerika Kalifornien weggenommen hat. Sie wollen hier auch ein totales Yankeeland. Wie die Faschisten. Sie wollen ihnen die spanische Sprache nehmen, ganz Kalifornien die ‘McDonald’s Kultur’ aufzwingen...“
     
    Tja, McDonald’s, ich muss schlucken und fünf Minuten später schlürfe ich meinen Kakao unweit vom Park in einem solchen, wo junge Mexikanerinnen und Schwarze Mädels herumwirbeln, putzen und bedienen. Ein Mulatte bestellt auf Spanisch bei den Mädels, eine Minute später sitzt er am Nebentisch, verdrückt seinen Hamburger und schluckt seine Coca Cola mit Eiswürfeln.
    Durch die offene Tür betrachte ich zum Abschied die tausend begeistert flimmernden Sternchen. Zu jedem davon gehören eine Kerze und ein Mensch, plus die fünf gelangweilten Polizisten, die am Parkrand Wache schieben.
     
    Ich hab erst mal genug davon, dass die Welt sich um die Männerärsche dreht...
     
    In einem ehemaligen Hippieklub - I Beam - weit, weit von Civic Center zeigen die Frauen, was sie auf dem Kasten haben. Auf der Bühne spielt eine
     
Frauen Punkband.
    Weiße Frauenschenkel leuchten unter phantasievollen Klamotten hervor. Knackärsche in schwarzen Lederhosen, sorgfältig gerupfte blonde Schöpfe, lila Hahnenkämme, pro Frau ein Kilo Schminke, fünf Kilo Leder, jede Menge Seide: Punk!
    Sie bilden sich ein, dass sie etwas Großartiges machen. Punk! Wild herumhüpfende Punkladies zerren an den Instrumenten. Antimusik. Punk! Die sexy Sängerin wird von dem Bass übertönt, der Bass wird von den energischen Drums niedergeknattert, die Drums werden von den knirschenden Lautsprechern ausgeboten, und die Lautsprecher ersticken im Widerhall der Akustik. Punk! Chaos! Ja, gib ihm! Das ist schon so beschissen, dass man dagegen nur noch tanzen kann.
    Tanzen? Ach wo! Hüpfen, springen, toben! Wen interessiert dabei, dass das falsch ist?! Ich tanze, ich drehe mich im Uhrzeigersinn, gegen den Uhrzeigersinn, gegen alle Sinne und schüttle mir die ganze Stadt mit meinen Pirouetten und Zuckungen aus den Knochen. Ich entleere mich von Cokeland, von den blutrünstigen Kinderaugen, von den zum Anstehen verdonnerten, ewig hungrigen Mägen, von den hübschen, stolzen Ladies, von den nach Weiberärschen tastenden Männeraugen, von den nach Männerärschen tastenden Männeraugen, von den malerischen hügelauf-hügelab Straßen, von den berittenen Polizisten, und werde alles los. Allein bin ich. Allein in mir. Um mich herum ist Antimusik. Punk!
    Einige Jungs denken, sie könnten mich mit ihre m Rumgehüpfe in den Schatten stellen, aber die sind viel zu verkrampft dazu. Nur die drei Teenie Mädels ahnen, was hier abgeht. Nämlich: ich tanze nicht mit, sondern gegen die Musik. Sie kommen auch gut in Fahrt, und das macht die Typen noch unbeholfener. Aber, Wurst. Dieser Abend gehört den Ladies. Die albernen Typen denken, ich will ihre Freundinnen ausspannen. Die Mädels dagegen spüren, dass ich nicht wegen ihnen so tanze. Sie sind nur die Verschönerung. Und genau das ist es, was sie so neugierig macht: Was steckt hinter meinem Tanz? Ich weiß das, und sie fühlen das. Wir sind alle glücklich und sie lächeln wie Engel.
     
    Dieses Lächeln begleitet mich nach dem Konzert durch die nächtlichen Straßen. Die Fenster des schlafenden Stadtteils beäugen misstrauisch meine Schritte. Diese Gegend ist viel zu fein, um irgendwo pennen zu können. Ordnung und Ruhe. Viel zu große Ordnung! Die Häuser haben alle Menschen in sich verschlungen, nur mich haben sie draußen gelassen, damit die Tausend Sternaugen überhaupt jemanden haben, auf den sie warm und

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