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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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noch blieb ihm die Zeit,
an die Vergangenheit zu denken, denn der Entsorger tauchte prustend und
spuckend direkt vor ihm auf.
    „ Was ist denn das?",
kreischte der Killer. Seine Stimme segelte dabei in eine Höhe davon, die an das
Kreischen einer Kreissäge erinnerte.
    „ Das ist ja Stuhl! Hier ist alles
voller Stuhl!"
    Unglaublich. Wegen ein klein
wenig Scheiße im Wasser verwandelte sich dieser knallharte Killer in eine
kreischende Diva. Wirklich unglaublich. Besser, er bereitete dem Leiden des
Entsorgers ein Ende. Eine bessere Gelegenheit, um seine Waffe zu ziehen, würde
sich ihm wohl kaum bieten.
    Doch das stimmte nicht ganz.
    Es gelang ihm zwar, die SIG-Sauer aus seinem Hosenbund zu ziehen und die Mündung
auf den Entsorger zu richten, doch bevor er feuern konnte, fiel ihm etwas ein.
Dieser Gedanke ließ ihn kurz zögern.
    Während er zögerte, legte
der Entsorger eine kurze Pause beim Kreischen ein. In dieser Pause wischte der
rechte Arm des Entsorgers in die Höhe und fegte die Pistole aus seiner Hand.
Eine Bewegung, wie sie beiläufiger nicht hätte sein können. Die SIG-Sauer klapperte auf den Laufgang, der die Halle umrundete, und blieb dort
liegen. Der Vorteil: Die Waffe lag gut sichtbar auf dem Trockenen. Der
Nachteil: Zwischen ihm und der Pistole stand der Entsorger. Und der hatte sich
gerade wieder ein Stück weit in den Griff bekommen.
    „ Du Untermensch",
fauchte der Entsorger und wandte sich ab. „Du Drecksau. Ich mach' dich fertig,
du wertloses Stück Scheiße!"
    In Gedanken hatte er sich
auf einen Nahkampf eingestellt. Hier unten, in Wasser und schwimmender Scheiße,
wären die Karten neu gemischt worden. Doch der Entsorger hatte andere Pläne und
versuchte, die Pistole zu erreichen. Er würde den Entsorger nicht daran hindern
können. Der Killer würde die Pistole erreichen und dann würden sie beide hier
unten sterben - vermutlich gemeinsam mit allen anderen Lebewesen, die in der
Kanalisation hausten.
    Ihm blieb nur ein kurzer
Augenblick, um zu entscheiden: Sollte er versuchen, den Entsorger zu erreichen
und die Sache im Nahkampf auszutragen, oder sollte er Fersengeld geben? Ein
rascher Blick über die Schulter genügte, um eine Entscheidung zu treffen -
Kunststück, denn sein Verstand arbeitete mit einer Klarheit, die er vermisst
hatte, seit er hier drin aufgewacht war.
    Er wandte sich um und watete
durch Wasser und Exkremente zum Laufgang auf der anderen Seite der kleinen
Halle. Der Weg dorthin war weitaus kürzer als der Weg, den der Entsorger
zurücklegen musste. Am Laufgang angekommen, wuchtete er sich aufs Trockene und
rannte los, hinaus aus der Halle und hinein in einen finsteren Tunnel. Es
interessierte ihn nicht, wer oder was dort auf ihn wartete. Ihm kam es nur
darauf an, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Entsorger zu
bringen. Alles durfte passieren, doch der Killer durfte keinesfalls Gelegenheit
bekommen, auf ihn zu schießen. Wenn dies geschah, dann spielte es keine Rolle
mehr, ob der Schuss traf oder nicht.
    Hinein in den Tunnel - und
laufen. Hinter ihm brüllte der Entsorger weiter. Mittlerweile musste es der
Kerl aus dem Wasser hinaus und auf den Laufgang geschafft haben. Hoffentlich
kam dieser Verrückte nicht auf die Idee, seinem Frust Luft zu machen, indem er
einen Schuss in die Decke feuerte.
    All seine Pläne waren den
Bach hinunter gegangen. Wären sie unbewaffnet hier unten gelandet, dann hätte er
sich keine Sorgen mehr machen müssen. Wenn seine Überlegungen zutrafen, dann
hätte der Entsorger hier unten keine Chance gegen ihn gehabt. Das hätte jedoch
nur funktioniert, wenn der Entsorger keine Schusswaffe in die Hände bekommen
hätte - und genau das war nun geschehen. Doch der Schwarze Mann in seinem
Hinterkopf schmiedete bereits neue Pläne. Das zentrale Element darin barg zwar
ein gewisses Risiko, doch der kalte Teil seiner Gedanken war mehr als bereit,
dieses Risiko einzugehen. Immer noch besser, als auch weiterhin Hals über Kopf
durch den Keller zu flüchten.
    Es dauerte nicht lange, bis
er die ersten Abzweigungen erreichte. Um es dem Entsorger nicht leicht zu
machen, bog er erst bei der dritten Einmündung nach links ab. Danach rannte er
weiter und wählte die Abzweigungen so willkürlich wie nur möglich - Hauptsache,
er folgte dabei keinem nachvollziehbaren Muster.
    Unterdessen arbeitete er
seinen Plan weiter aus. Natürlich konnte er sich nicht sicher sein, genügend
Abstand zwischen sich und den Entsorger gebracht zu haben. Er achtete

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