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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Pfeifer auf, und streckte den Wütenden drohend seine Riesenfäuste entgegen. Michel verteilte den Brothaufen schnell und mit sicherem Blick an seine Freunde, den Pfarrer und diejenigen, die bisher durch ihre geringen Kräfte kaum je etwas erhalten hatten. »Dank, vielen Dank, companero«, waren die dankbaren Rufe der so Gespeisten. Ojo trat zur Seite, und Michel stieß abermals einen Pfiff aus, dem augenblicklich Ruhe folgte. »Hört, amigos«, schrie er die Soldaten mit gewaltiger Stimme an, »ab heute verteile ich das Essen, und zwar so, daß jeder den gleichen Teil bekommt. Und denjenigen, der mir nicht gehorcht, den schlage ich mit diesen meinen gefesselten Händen tot, verstanden?« »Vermaledeit — — Lump!« schrie einer der Stärksten. »Was fällt dir ein, Mensch, über uns zu befehlen? Wage nicht noch einmal, mich beim Essen zu stören, sonst könnte es anders kommen und du bist die Leiche.«
    Ojo kroch auf den Schimpfenden zu und wollte sich auf ihn stürzen. »Bleib zurück, Diaz! Ich will mit diesem Kerl reden«, sagte Michel.
    Dann wandte er sich an den vierschrötigen Burschen. »Wie kommst du darauf, companero, von uns zu verlangen, daß wir wegen deiner Gefräßigkeit alle verhungern sollen? Hast du niemals das Wort Kameradschaft gehört? Stecken wir nicht alle im selben Dreck? Antworte! Woher nimmst du die Unverschämtheit, den größten Teil des Brotes zu beanspruchen, Mensch?« »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, brummte der andere, dem es bei den letzten Worten irgendwie unbehaglich geworden war; denn er blickte ringsum in ablehnende Gesichter. »Mir nicht«, gab Michel zurück, »aber den anderen hier bist du Rechenschaft schuldig. Ich glaube nicht, daß sie sich mit deiner Eigensucht ohne weiteres abfinden werden.« »Ich bin der Stärkere!« sagte der Soldat selbstbewußt. »Und ich lasse mir nicht befehlen, noch dazu nicht von einem Menschen, der allem Anschein nach nicht zur Armee gehört. Ich bin ein Soldat des Königs von Spanien, verstanden?«
    »Nun, wenn dein König nur solche Soldaten hat, so ist es kein Wunder, wenn er die Schlacht gegen den Daj von Algier verliert. Ich bedaure ihn; denn Soldaten von deinem Schlag sind Schweine--verstanden! — Schweine!«
    Der Gemaßregelte fuhr wütend auf und versuchte, sich Michel zu nähern. Hochrot im Gesicht arbeitete er sich mühsam durch den Berg von Leibern, der den Boden bedeckte. Seine Kette ließ ihm einigen Spielraum.
    »Komm mir nicht zu nahe«, sagte Michel, »du stinkst. Ich möchte mich nicht durch dich beschmutzen. Adelante -hau ab!«
    Der Soldat jedoch kroch immer näher. Jetzt hatte erMichels Füße erreicht. Ojo zitterte bereits vor Ungeduld. Er hätte den Burschen am liebsten sofort in Stücke gerissen. Michels Gesichtsausdruck war ruhig. Keine Wimper zuckte.
    Der Angreifer griff nach seinen Füßen.
    Da war Michel trotz der unsäglichen Schmerzen, die er dabei erlitt, auch schon auf den Beinen und zog den Wütenden mit sich hoch.
    Nun standen sie sich gegenüber.
    »Du hast mich beleidigt!« schnaufte der Soldat.
    »Nimm deine Zunge in acht, du gefräßiger Lümmel!« war die scharfe, aber trockene Antwort Michels.
    »Wa—a—a—as?« Der Landsknecht holte aus. Die Ketten rasselten. Aber plötzlich fühlte er selbst einen ungewöhnlich harten Schlag am Kopf. Noch einen und noch einen. Dann sackte er lautlos zusammen.
    Michel hatte ihn niedergeschlagen.
    Bewundernde Blicke hefteten sich auf ihn.
    »Hört zu, companeros, ihr habt nun gesehen, wer hier der Stärkere ist. Glaubt mir, ich will euch nicht um das Brot bringen. Ich will nur, daß jeder den gleichen Teil bekommt. Von morgen ab verteile ich die ganze Ration, nachdem sie mein Freund hier aus dem Wasser gefischt hat. Wer zu mir hält, wird noch einmal deswegen froh sein.« Ohne eine Antwort der anderen abzuwarten, setzte er sich nieder.
    »Der Mann hat recht«, sagte da eine dunkle, wohlklingende Stimme. Es war die des Pfarrers. »Jeder einzelne muß in dieser Lage beweisen, daß der Nachbar auch sein Bruder ist. Es ist nicht nur das Gebot unseres Herrn Jesu Christi, es ist auch ein Gebot der Selbsterhaltung. Wenn wir uns gegenseitig zerfleischen, so werden wir hier nie wieder herauskommen. Betet jetzt und dankt dem Herrn für das Brot!«
    Der letzte Satz war mit barscher Stimme gesprochen. Aber es stellte sich heraus, daß der Pfarrer seine Leute kannte. Sie gehorchten. Und allenthalben falteten sich die zerschundenen, blutigen Hände.
    Michel konnte ein

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