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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Und das alles im Namen Seiner allerchristlichsten Hoheit des Landgrafen von Hessen-Kassel. Well, da habe ich beschlossen, nach meinem eigenen Gesetz zu leben.« »Ihr seid Arzt?« »Ja.«
    »Wo habt Ihr studiert?« »In Rostock.«
    »Und habt Ihr praktisch gearbeitet?«
    »Kurze Zeit — in Berlin.«
    Der Pfarrer schwieg nachdenklich.
    »Dann kann ich Eure Ansichten verstehen. In Berlin regiert ja ein König, der das Wort geprägt hat: Jeder werde nach seiner eigenen Facon selig! Ein Gottesleugner also«, fügte er in scharfem Ton hinzu, »denn es gibt nur eine seligmachende Facon. Und das ist die Kirche.« »Ich möchte eher sagen, das Herz«, wandte Michel ruhig ein. »Der Preußenkönig hat gewußt, daß wir zuerst zu Menschen werden müssen, menschlich sein müssen, versteht Ihr, bevor wir über Gott reden dürfen.«
    »Gute Nacht, Doktor«, sagte der Pater unvermittelt.
    »Seid Ihr nicht ein wenig unduldsam, Father? Warum brecht Ihr das Gespräch plötzlich ab, wo Ihr es doch selbst begonnen habt?« fragte Michel verwundert. »Ich dachte, ich könnte Euch bekehren!«
    »An mir ist nichts zu bekehren«, erwiderte Michel, »vielleicht schleift mich die Zeit ab, vielleicht werde ich in meinem Leben noch andere Ansichten vertreten als heute, durchaus möglich. Bekehren kann mich ein Mensch nicht. Ich finde, man selbst muß zuweilen Einkehr halten, wenn man wissen will, woran man ist.« »Glaubt! Das ist das beste Rezept.«
    »Aber »Suchet, so werdet ihr finden, steht in der Bibel. Ihr seht, es ist nicht so einfach.« Der Padre schwieg lange, dann wünschte er dem Pfeifer »Gute Nacht«. »Gute Nacht«, antwortete Michel.
    Seine Gedanken schweiften weit weg. Sie flogen über das Mittelmeer, nahmen ihren Weg über die Alpen und liefen zum Schluß in Kassel über den Marktplatz bis zu jenem Haus, in dem ein Mädchen wohnte, das zu dieser Stunde vielleicht für ihn betete und das ihm einmal so tapfer beigestanden hatte. Ob Charlotte wußte, wie schlecht die Welt sein konnte? Eberstein, dachte Michel plötzlich, wo mochte der Schuft jetzt sein? War er wohl mit seinen Soldaten nach England gekommen und von dort aus wieder nach Amerika eingeschifft worden? Dann schob sich wieder das Bild der Gräfin de Villa-verde y Bielsa zwischen seine Gedanken. Verführerisch schön war ihr Gesicht. Deutlich sah er den Kontrast zwischen den rötlichen Haaren und den dunklen, fast schwarzen Augen. Hatte er nur üble Erinnerungen an ihr Dasein? Nicht gar so schlimme. Eberstein war schlechter, viel schlechter; weil er klein und kleinlich war, ein Mensch, der sich selbst um den niedrigsten Vorteil verkaufen würde. Würde er ihn je wiedersehen —?
    Michel war noch immer hellwach, als das Singen des Muezzins vom Minaren der nahen Moschee herüberklang. Es war um die Stunde des Morgengebets. Das erste Grau eines neuen Tages kam herauf.
    »Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen. Lob und Preis sei Allah, dem Weltherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichts — — —«

6
    Die Tage und Wochen schlichen dahin. Immer unerträglicher wurde die Hitze. Unter den Sträflingen im Steinbruch von El Mengub herrschte der Tod und raffte die Menschen dahin. Es war Michel, Ojo und dem arabischen Kapitän Abu Hanufa zu verdanken, daß ihre Gruppe durchhielt.
    Ojo schuftete für drei und verrichtete die Arbeit des alten Porquez mit, so daß dieser nur dann wirklich heranmußte, wenn der Posten zu nahe war. Ebenso verhielt es sich mit dem kleinen Alfonso Jardin, der von Tag zu Tag gleichgültiger wurde. Er tat so gut wie nichts. Ojo übernahm auch seinen Teil.
    Michel und Abu Hanufa griffen zu, wenn die anderen nicht mehr weiterkonnten. Deste war nur als halbe Kraft zu werten. Er verfiel sichtlich. Von Ibn Kuteiba gar nicht zu reden. Auch hatte sich Padre Geronimo enger an die Gruppe angeschlossen. Die häufigen Kontroversen mit dem deutschen Doktor brachten etwas Abwechslung in die Eintönigkeit. Man hielt dabei seinen Geist wach und schüttelte die Lethargie ab, die sich immer wieder einzustellen drohte. Von den Mitbewohnern des Krals waren bereits vier gestorben, das heißt, sie waren eigentlich nach und nach totgeschlagen worden; denn die Aufseher kannten keine Gnade, wenn einer sein Arbeitsziel nicht erreichte; das schienen eigens ausgesuchte Menschenschinder zu sein. Michel behauptete allerdings, daß nach und nach jeder Aufseher, mochte er ursprünglich auch einen guten Kern in sich gehabt haben, von Haß ergriffen werde.
    Ringsum

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