Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
Elisa bereits aufgestanden war. Ich musste wie eine Tote geschlafen haben! Meine Verwunderung wurde größer, als ich schließlich angekleidet und frisiert in den Schankraum herunterkam und Elisa am Tisch der beiden Herrschaften von gestern Abend sitzen sah. Selten hatte ich meine Schwester so aufgeregt gesehen. Normalerweise interessierte sie sich nicht sonderlich für ihre
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
Umgebung. Der Herr mit dem Schlapphut und sein untersetzter Begleiter hatten es ihr aber offenbar angetan.
Schlaftrunken wankte ich zu meinem Vater herüber, der die hinteren Tische mit einem nassen Lappen abwischte.
„Guten Morgen, Sophie“, grüßte er mich und strahlte von einem Ohr zum anderen. Mein Vater gehörte zu den Menschen, die immer fröhlich waren. Selbst wenn er schlechte Laune hatte, fand sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Nur in Ausnahmefällen verlor er die Beherrschung. Mutter hatte immer gesagt, dass Vater nur deshalb so ein umgänglicher Mensch war, weil er der einzige Mann unter Frauen in unserer Familie war.
„Wer sind denn unsere beiden neuen Gäste?“
Ich konnte es nicht leugnen, der Fremde mit dem Schlapphut hatte eine anziehende, gleichzeitig geradezu gefährliche Ausstrahlung.
„Ach, du meinst Mister Ignatius und seinen Begleiter Dango Perres?“ Die beiden waren die einzigen Gäste, die sich um diese Uhrzeit im Schankraum befanden. Zurzeit hatten wir keine anderen Zimmer vermietet. „Sie sind nicht von hier?“
Vater zuckte nur die Schultern. Es war ihm egal, woher seine Gäste kamen, so lange sie zahlten.
„Würdest du den Herren das Frühstück servieren?“ Vater deutete in Richtung Küche. „Martha hat schon alles vorbereitet.“
Ich nickte nur und lief an der Bar vorbei durch die kleine Hintertür und stieß fast mit Martha zusammen. Die gute Seele des Hauses, die uns seit dem Tod meiner Mutter unter die Arme griff, drückte mir lachend einen Brotkorb in die Hand.
„Für Mister Ignatius und…“
„Ich weiß, ich weiß.“
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich mich dem Tisch der Herrschaften näherte.
„Ihr seid sehr lustig, Samuel“, kicherte Elisa wie ein aufgeregtes Küken. „Und Ihr seid bezaubernd, meine Werteste.“
Ignatius hauchte ihr galant einen Kuss auf die Hand. Ich blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen. Was sich hier vor meinen Augen abspielte konnte nur ein böser Traum sein. Elisa war sicher keine hässliche Frau. Aber welcher Mann interessierte sich für eine 20-Jährige, die sich wie ein kleines Mädchen verhielt?
Als Ignatius zu mir sah, setzte ich ein gespieltes Lächeln auf und stellte den Brotkorb auf seinen Tisch.
„Guten Appetit.“
„Vielen Dank.“
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„Sophie, Sophie! Samuel erzählt mir ganz tolle Geschichten!“, rief Elisa vergnügt und hob dabei beide Arme in die Höhe.
„Wackle nicht mit deinem Stuhl, sonst kippst du um“, ermahnte ich sie. Ich begriff nicht, warum Vater nichts unternahm? Er war doch sonst auch immer der Erste, der Einspruch erhob, wenn Elisa mit Fremden redete!
„Entschuldigt, junge Miss“, meldete sich ein zaghaftes Stimmchen. Dango Perres zupfte an meiner Schürze und sah mich mit seinen kleinen Schweineaugen verschmitzt an.
„Könnten wir noch zwei Becher Milch bekommen? Bitte?“ Er lächelte verlegen, als wäre es ihm peinlich, eine Bestellung aufzugeben.
Ich nickte nur und beeilte mich in die Küche zu kommen, denn ich wollte Elisa nicht länger als nötig mit diesen sonderbaren Männern allein lassen. „Dieser Ignatius ist mir nicht ganz geheuer“, sagte ich zu Martha, während ich die frische Milch in zwei Becher füllte. Wie gut, dass Martha unsere „Emma“ bereits heute Morgen gemolken hatte. Außer einer Kuh hielten wir uns im Hinterhof Hühner und Ziegen, die für unser leibliches Wohl sorgten.
Martha lachte nur. „Jetzt übertreibst du aber, Kind. Er ist doch ein sehr höflicher Mann.“
„Hat er gesagt, warum er nach Westminster gekommen ist?“ Ich erinnerte mich an die merkwürdigen Instrumente, die ich in Dangos Beutel gesehen hatte. Eine Armbrust… Holzpflöcke… wer wusste schon, was sich noch in der Tasche befand? Und was die zwei Männer damit vorhatten?
„Nein. Darüber habe ich nicht mit ihm gesprochen. Frage ihn doch einfach.“
Ich seufzte. „Vater würde mir die Ohren lang ziehen, wenn ich unsere Gäste mit solchen Fragen belästige.“
„Da könntest du Recht
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