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Ketten der Liebe

Ketten der Liebe

Titel: Ketten der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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Frage in arroganter Manier zu verneinen, aber den Abend zuvor hatte er nichts gegessen, und daher machte sich jetzt sein Magen bemerkbar. Der Duft des frischen Backwerks umfing verführerisch seine Nase.
    Diese junge Frau, Amy, schien genau zu wissen, was in ihm vorging. Sie hatte wieder dieses katzenhafte Lächeln aufgesetzt und beobachtete, wie er das Tuch anhob, das den Brotkorb bedeckte. »Greifen Sie zu, Mylord. Vielleicht ist das Ihre letzte Mahlzeit.«
    »Amy!« Miss Victorine klang wie eine strenge Gouvernante. »Vielleicht ist es besser, wenn Sie jetzt nach oben gehen und sich etwas ausruhen. Sie waren die ganze Nacht wach und scheinen reizbar zu sein.«
    Es war unübersehbar, dass Amy sich der Aufforderung widersetzen wollte, doch sie murmelte nur: »Ja, Ma’am.« Dann warf sie ihm einen giftigen Blick zu, mit dem sie ihm Vergeltungsmaßnahmen in Aussicht stellte, falls er einen Fluchtversuch unternahm.
    Er wusste, was er sagen musste, um sie weiter zu reizen. »Wenn Sie wiederkommen, dann bringen Sie mir heißes Wasser und ein scharfes Messer mit. Ich muss mich rasieren.«
    Sie quittierte seinen Befehlston mit einem finsteren Blick. »Das hatten wir schon besprochen. Einmal am Tag erhalten Sie eine Schale mit Wasser, um sich zu rasieren und zu waschen.«
    »Wie großzügig von Ihnen«, erwiderte er in sarkastischem Ton.
    »Das ist mehr, als den meisten Gefangenen zur Verfügung steht, Mylord.« Dann ging sie stolzen Schrittes die Treppe hinauf.
    Er sah ihr nach und kam nicht umhin, ihre weiblichen Rundungen zu bewundern. Sein männliches Interesse brauchte er nicht zu kaschieren. Sie verdiente weder Feingefühl noch sonst irgendein zuvorkommendes Benehmen, das ein Gentleman in Gegenwart einer Dame an den Tag zu legen hatte. Nein, sie hatte nichts anderes verdient als eine karge Gefängniszelle und eine Schlinge um den Hals.
    Und er würde dafür sorgen, dass sie ihre gerechte Strafe erhielt.
    »Ist sie nicht ein liebes Mädchen?« Miss Victorine fasste sich an die Brust und schaute Amy voller Zuneigung nach. Dann machte sie es sich in dem Schaukelstuhl bequem und fügte hinzu: »Sie kommt aus dem Ausland, müssen Sie wissen.«
    »Das erklärt manches.« Er zog den schweren Tisch näher an die Pritsche und machte sich über die Eier, das Fruchtkompott und die Fischpastete her. Bei den Scones hatte Miss Victorine nicht übertrieben, sie schmeckten so köstlich wie früher. Er aß gleich drei hintereinander. Dann nahm er das Messer, um die Wurst zu schneiden ... sein Blick verharrte auf der Klinge. Sie war alt und dünn vom Schleifen ... aber sie war scharf. Sehr scharf sogar, und sie hatte eine feine Spitze.
    Er warf einen verstohlenen Blick auf die gutmütige Miss Victorine, die ihren Gedanken nachhing, und ließ das Messer heimlich in seinem Ärmel verschwinden.
    »Ja, die gute Amy kommt aus dem herrlichen Land Beaumontagne. Das ist eine raue, zerklüftete Gegend. Die Winter dort sind furchtbar, aber die Sommer sind wundervoll. Die tiefen Wälder sind voller Nadelbäume und Eichen, und die Vögel zwitschern in den Zweigen.« Miss Victorine hatte den Stuhl in schaukelnde Bewegungen versetzt und lächelte beseelt, aber das Lächeln galt nicht ihm, sondern irgendeiner verblassenden Erinnerung.
    »Woher kennen Sie dieses Land?« Dunkel erinnerte er sich an seine Geografiestunden, als der Hauslehrer von ihm verlangte, jedes Land in Europa auf der Karte benennen zu können.
    »In meiner Jugend besuchte ich dieses Land. Mein Vater reiste viel, und nachdem meine Brüder geheiratet hatten und ich ... nun, als sich herausstellte, dass ich unverheiratet bleiben würde, beschloss mein Vater, mir die große, weite Welt zu zeigen.« Sie nahm eine Garnrolle und ein kleines Weberschiffchen zur Hand.
    Das Weberschiffchen war nicht größer als sein Handteller und ungefähr so dick wie ein Finger. Es bestand aus Elfenbein und war durch die vielen Jahre stark abgenutzt. An dem einen Ende saß eine scharfe Spitze, an die Jermyn sich nur allzu gut erinnerte, denn als er sieben war, hatte er sich die Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger ins Fleisch getrieben. Es hatte teuflisch wehgetan und eine Narbe hinterlassen.
    Sie schüttelte ein kleines Stück Spitze aus. »Allerdings kam mein Vater nicht sehr weit. Wir waren weniger als ein Jahr unterwegs, als er sich ein Fieber zuzog und starb. Das ist alles lang her, aber ich lebte noch sechs Monate in Beaumontagne und wartete bis zum Winter, damit ich wieder heimkehren konnte.«

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