Ketzer
hätte mich beinahe überreden lassen, aber tief in meinem Herzen wusste ich, dass Flucht keine Lösung wäre und uns beiden nicht die Zukunft bringen würde, die wir uns erträumten. Also machte ich mich eines Nachts unbemerkt aus dem Staub und ging nach Paris, wo ich meine ganze Energie darauf verwandte, zu schreiben und bei Hof Karriere zu machen. Oft denke ich indessen über das Leben nach, auf das ich verzichtet habe, und frage mich, wo es mich wohl hingeführt hätte.« Meine Stimme verklang, und ich senkte den Blick, als mich die Erinnerungen zu überwältigen drohten.
»Jedenfalls wärst du dann nicht hier, mein Freund. Außerdem ist sie inzwischen wahrscheinlich längst mit irgendeinem gichtigen alten Herzog verheiratet«, meinte Sidney tröstend.
»Das wäre sie vermutlich«, stimmte ich ihm zu, »wenn sie am Leben geblieben wäre. Ihr Vater hatte eine Heirat mit einem seiner Freunde arrangiert, kurz vor der Hochzeit hatte sie jedoch einen Unfall. Sie ist ertrunken. Ihr Bruder schrieb es mir.«
»Du glaubst, sie hat Hand an sich gelegt?« Sidneys Augen weiteten sich ungläubig.
»Das werde ich wohl nie erfahren.«
Ich verstummte und blickte über das Wasser hinweg.
»Tja, das tut mir leid«, sagte Sidney nach einer Weile, dabei klopfte er mir auf die sachliche Art und Weise, die viele Engländer an den Tag legen, auf den Rücken. »Aber trotz alledem – die Frauen an König Henris Hof haben dir doch sicher zahlreiche Zerstreuungen geboten, eh?«
Ich betrachtete ihn einen Moment lang nachdenklich. Besaßen die englischen Adligen wirklich so wenig Feingefühl, oder gaben sie dies nur vor, um sich keine schmerzlichen Empfindungen anmerken zu lassen?
»O ja, diese Frauen waren bezaubernd und anfangs mehr als bereit, mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken, freilich kam ich bald zu dem Schluss, dass es ihnen an der Fähigkeit zu geistreicher Konversation mangelte.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Und sie kamen zu dem Schluss, dass es sich nicht lohnte, sich dauerhaft mit einem Mann ohne Vermögen und Titel einzulassen.«
»Da hast du es, Bruno – wenn du dich auf Frauen versteifst, mit denen du ernsthafte Gespräche führen kannst, wirst du nur Enttäuschungen erleben.« Sidney schüttelte den Kopf, als sei allein der Gedanke absurd. »Hör auf meinen Rat – schärfe deinen Geist in der Gesellschaft anderer Männer und suche bei Frauen nur die angenehmen Dinge des Lebens.«
Er grinste breit und zwinkerte mir zu.
»Jetzt muss ich das Beladen der Barke überwachen, sonst können wir nie ablegen, und wir sollen heute Abend im Palast von Windsor speisen, folglich müssen wir uns beeilen! Angeblich soll heute Nacht ein Sturm aufziehen. Nein, die Königin wird natürlich nicht anwesend sein«, fügte er hinzu, als er meine hochgezogenen Brauen bemerkte. »Ich fürchte, die Verantwortung, den Palatin zu unterhalten, bis wir Oxford erreichen, liegt ganz allein bei uns, Bruno. Also wappne dich schon einmal dafür und bete zu deiner sogenannten allumfassenden Seele, dass sie dir die Kraft dazu gibt.«
»Ich neige gewiss nicht zur Prahlerei, aber meine Freunde haben mich schon oft als begnadeten Dichter bezeichnet, Sir Philip«, quiekte Palatin Laski mit seiner schrillen Stimme, die grundsätzlich so klang, als bringe er eine Klage vor. Unser Boot glitt gerade auf Hampton Court zu. »Ich dachte mir, wenn wir der Disputationen an der Universität überdrüssig werden…«, hier warf er einen viel sagenden Blick in meine Richtung, »… könnten wir beide, Ihr und ich, einen Teil unseres Aufenthaltes in Oxford dazu nutzen, uns gegenseitig unsere Werke vorzulesen – von Poet zu Poet sozusagen. Was meint Ihr dazu?«
»Dann müssen wir Bruno in das Gespräch mit einbeziehen.« Sidney betrachtete mich mit einem verschwörerischen Grinsen. »Er ist nämlich nicht nur ein Gelehrter, sondern hat auch ein komisches Drama in Versform für die Bühne geschrieben, nicht wahr, Bruno? Wie heißt es doch gleich?«
»Die Fackelträger«, brummte ich und fuhr fort, die Aussicht zu bewundern. Ich hatte das Stück Morgana gewidmet, und es war für mich untrennbar mit der Erinnerung an sie verbunden.
»Davon habe ich noch nie gehört«, erwiderte der Palatin herablassend.
Noch ehe unsere Reisegruppe Richmond erreicht hatte, stellte ich fest, dass ich mit meinem Gönner König Henri III. von Frankreich vollkommen einer Meinung war: Palatin Laski war kaum zu ertragen. Er war fett und rotgesichtig, übermäßig von
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