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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Fenster zum Garten. Ich musterte den leeren Esstisch, erinnerte mich daran, wo Roger Mercer und James Coverdale damals gesessen hatten, und meinte, Rogers dröhnendes Lachen zu hören. Vielleicht wurde auch der Rektor von Erinnerungen
heimgesucht, während er über den Garten hinwegblickte, in dem Mercer nur Stunden später ein so grausames Ende gefunden hatte. Adam schloss die Tür leise hinter mir und verschwand taktvoll durch die Tür zum Arbeitszimmer seines Herrn. Underhill blieb am Fenster stehen. Als er zu sprechen begann, kehrte er mir noch immer den Rücken zu. Seine Stimme klang unnatürlich gepresst.
    »Meine Tochter möchte nebenan mit Euch sprechen, Doktor Bruno.«
    Ich wartete, aber da nichts mehr kam, folgte ich Adam durch die Tür zum Arbeitszimmer, in dem Sophia und ich uns einst über Magie unterhalten hatten. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.
    Jetzt stand sie allein am Kamin und stützte die Hände auf die Rückenlehne eines der Stühle. Ihr langes dunkles Haar war sittsam zurückgebunden, nur ein paar Locken waren dem Band entschlüpft und fielen um ihr Gesicht. Ihre Figur in dem dunkelgrauen Kleid verriet noch nichts von ihrem Zustand, nur ihre Büste war vielleicht etwas voller geworden, aber ihre Züge wirkten hager und verkniffen, und ihre Augen waren vor Erschöpfung und Tränen verquollen.
    »Die Soldaten haben uns in einem Haus in Abingdon aufgespürt«, sagte sie ohne Einleitung, und obwohl sie so zerbrechlich aussah, klang ihre Stimme so klar und kräftig wie immer. »Sie fragten Jerome, wer er sei. Er antwortete, er sei ein Gentleman und ein Christ. Dann rissen sie ihm sein Oberhemd vom Leib und sahen das härene Hemd darunter.« Sie zögerte einen Moment, um hart zu schlucken, dann holte sie tief Atem und fuhr fort, ohne mich anzusehen: »Sie verhafteten ihn als Verräter, legten ihn in Ketten und führten ihn ab. Ich bat sie, auch mich mitzunehmen, aber ich wurde nach Oxford zurückgebracht.«
    »Etwa auch in Ketten?«, fragte ich entsetzt.
    »Nein, sie gingen überraschend behutsam mit mir um. Aber ich habe auch keinen Widerstand geleistet. Sie brachten mich in das Burggefängnis.« Endlich hob sie den Kopf und sah mich fast
trotzig an, dann schien sie in sich zusammenzusinken. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie es dort ist, Bruno, wenn Ihr es nicht selbst gesehen habt. Kein Tier würde man unter solchen Bedingungen halten. Die armen Frauen sind in einem niedrigen Raum zusammengepfercht. Der Boden ist mit schmutzigem Stroh bedeckt, das nach Urin und Kot stinkt, die Wände sind so feucht, dass Pilze darauf wachsen, und die Kälte dringt einem bis ins Mark. Ich glaube, ich werde diese Kälte bis zum Ende meines Lebens spüren.«
    »Sie haben Euch an einem solchen Ort festgehalten? Aber habt Ihr ihnen denn nicht gesagt, dass Ihr …« Ich brach ab und deutete auf meinen Bauch. Sie gab ein kurzes, bitteres Lachen von sich.
    »O doch, das habe ich, obwohl ich dadurch meinen Ruf ruiniert habe. Jerome sagte, ich solle nicht sprechen, wenn ich verhaftet werde, sondern nur meinen Namen nennen. Aber ich dachte, sie würden mich dann besser behandeln. Stattdessen wollten sie mir Angst einjagen, denke ich. Zwei Stunden musste ich in diesem Loch ausharren, unter Elenden und Irrsinnigen, die mich bedrängten und an meinen Kleidern und meinem Haar zogen, Frauen, die mit Läusen und Geschwüren übersät waren. Und es stank nach verrottetem Fleisch und menschlichen Exkrementen …« Jetzt brach ihre Stimme doch, und ich trat instinktiv einen Schritt auf sie zu, um den Arm um sie zu legen, aber sie straffte sich augenblicklich und funkelte mich an, und mir wurde schuldbewusst klar, dass ich ihr keinen Trost spenden konnte: Ich war der Feind.
    »Was ist dann passiert?«, drängte ich, um meinen Fehler zu überspielen.
    »Mein Vater traf ein.« Sie strich ihr Haar zurück. »Sie hatten nach ihm geschickt. Man hatte ihm wohl gesagt, ich wäre in der Gesellschaft eines berüchtigten Jesuiten verhaftet worden, hätte aber heimlich dem Kronrat belastende Dokumente überbringen lassen, was als Beweis dafür gewertet werden könne, dass meine Loyalität doch Ihrer Majestät gilt. Deshalb und dank meines
Zustandes …«, hier klopfte sie sich mit einem sarkastischen Lächeln auf ihren eigenen Bauch, »… durfte er für mich bürgen, und ich wurde entlassen.«
    »Also habt Ihr nicht widersprochen?«
    »Ich nahm an, dass Ihr es wart, der ihnen die Geschichte mit den Briefen erzählt hat«, erwiderte

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