189 - Die Nebelhexe vom Central Park
»New York!« sagte Jerry King aufgeregt. »Wow! Dort unten ist es! Sieh nur! Wahnsinnig! Super! Spitze!«
Matt Hensley grinste. »Na, na, na, krieg dich wieder hin, Mann! Du flippst ja richtig aus!«
»Ist ja auch zum Ausflippen«, gab Jerry King zurück, während er fasziniert durch das Bullauge des Flugzeugs schaute. »Diese riesigen Dimensionen… Man hat das Gefühl, diese Stadt hört überhaupt nicht auf.«
»Deshalb wird sie auch ›The Big Apple‹ genannt«, erklärte Matt Hensley. Er spielte gern den Coolen, Klugen, über alles Erhabenen, dabei war er mindestens genauso aufgeregt wie sein Freund.
»All die vielen Wolkenkratzer… gewaltig«, stöhnte Jerry ehrfürchtig.
»Man kennt das doch schon aus dem Fernsehen.«
»Aber in natura sieht das alles noch viel imposanter aus«, stellte Jerry aufgewühlt fest.
»Es ist der absolute Überhammer! Ich bin hin und her gerissen!«
Matt lachte. »Und dabei sind wir noch nicht einmal gelandet.«
»Von hier oben sieht die Stadt so sauber aus. Wieso behaupten manche Leute, dies wäre der größte Misthaufen der Welt?« fragte Jerry. Er war rothaarig und sommersprossig, und seine Schneidezähne standen schief.
»Jeder, der bekannt und beliebt ist, hat auch Freunde und Neider. Das trifft auch auf New York zu.«
Die Maschine setzte zur Landung an. Jerry King lehnte sich zurück und flüsterte: »New York, wir kommen!«
Als sie aufgesetzt hatten, wandte sich Jerry an seinen Freund. »He, soll ich dir was verraten? Ich bin unbeschreiblich glücklich.«
»Das ist die beste Voraussetzung für einen gelungenen Urlaub«, gab Matt Hensley zurück. Er strich sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn und öffnete den Gurt, als die Schrift über ihnen erlosch. »Hoffentlich laden sie unser Gepäck jetzt nicht in eine Maschine um, die nach Kopenhagen oder Buenos Aires fliegt«, brummte er. »Ist alles schon dagewesen.«
Jerry King taumelte selig hinein in diese neue, fremde Welt. Er ging wie auf Wolken und bestaunte alles mit großen Augen, wie ein Kind, das vor dem weihnachtlich dekorierten Schaufenster eines Kaufhauses steht.
Jerry und Matt waren 18.
Matt hatte schon einiges von der Welt gesehen: Portugal, Türkei, Griechenland, Marokko, Malediven… Nach New York kam auch er zum erstenmal. Er hatte sich mit der entsprechenden Literatur gut auf diese Reise vorbereitet.
Jerry, der bisher kaum mal aus dem Londoner Stadtteil Waterloo herausgekommen war, verließ sich ganz auf seinen reiseerfahrenen Freund. Er würde alles tun, was Matt sagte, weil Matt einfach alles besser wußte.
Sie hatten ihre wenigen Ersparnisse zusammengekratzt und sich ein Flugticket gekauft. Mit wenig Geld kann man keine großen Sprünge machen, aber in den zwei Wochen, die vor ihnen lagen, würden sie New York besser kennenlernen als ihre Heimatstadt London.
»Übernachtet wird unter freiem Himmel«, hatte Matt gesagt, als die Reise sich noch im Planungsstadium befand. »Für Unterkünfte geben wir keinen Cent aus. Mit dem Geld, das wir uns dadurch sparen, kaufen wir uns lieber etwas zu futtern.«
Sie holten sich ihre Rucksäcke und verließen den John F. Kennedy International Airport per Anhalter. Der Mann, der sie in seinem klapprigen Dodge mitnahm, war sehr freundlich. Er hatte eine Schwester, die in London lebte, aber kein Geld, um sie mal zu besuchen.
»Der Flug ist doch erschwinglich«, sagte Jerry.
»Für euch«, erwiderte der Mann. »Ihr seid jung und frei und ungebunden. Ihr habt keine Familie und jeden Tag vier hungrige Mäuler zu stopfen. Wenn ich zu meiner Schwester nach London fliege, hat meine Familie nichts zu beißen.«
»Das ist natürlich etwas anderes«, meinte Jerry.
Der Mann warf sie mitten in Brooklyn raus und wünschte ihnen einen schönen Aufenthalt in New York.
Sie blieben in Brooklyn, trampten durch den riesigen Bezirk, und Matt konnte seinem Freund vieles zeigen und erklären. Am Abend aßen sie Fish and Chips und tranken Coke.
»Und wo legen wir unser müdes Haupt hin?« erkundigte sich Jerry.
»Es wird sich schon was finden«, antwortete Matt zuversichtlich.
Sie begaben sich zum East River, und Matt entdeckte ein verfallenes Lagerhaus, das bestimmt nicht mehr benützt wurde. Niemand konnte etwas dagegen haben, wenn sie die Nacht darin verbrachten.
Die Fensterscheiben waren eingeschlagen, das Tor war aus den Angeln gehoben, im Dach gab es große Löcher.
»Ich habe schon mal vornehmer logiert«, ließ Jerry mit gerümpfter Nase verlauten.
»Was
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