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Kid & Co - V3

Titel: Kid & Co - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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bis zu dem trockenen Strandgut, das von den Frühlingsstürmen herrührte.
    Damit machte er ein Feuer, und in die schwelenden Holzkohlen legte er seinen köstlichen Fund. Er sah den Dampf aus den Muscheln strömen und die geschlossenen Schalen sich allmählich öffnen, so daß das lachsfarbene Fleisch sichtbar wurde. Gerade so gekocht, wie es sein mußte - das wußte er... und diesmal trat keine Störung ein, die ihm das Essen von den Lippen fortriß.
    Endlich einmal... so träumte er mitten in seinem Traum... sollte sich ein Traum verwirklichen. Diesmal sollte er wirklich essen! Und doch fühlte er selbst in dieser Sicherheit Zweifel, und er hatte sich bereits gestählt, um die unvermeidliche Änderung der Vision ertragen zu können... aber schließlich fühlte er das lachsrote Fleisch heiß und wohlschmeckend in seinem Mund. Seine Zähne schlossen sich gierig, um es festzuhalten. Er aß! Das Wunder war erfüllt! Aber die Verwunderung weckte ihn. Es war dunkel, als er wach wurde, er lag auf dem Rücken und hörte sich selbst leise fröhliche Rufe ausstoßen und grunzen wie ein Ferkel. Seine Kiefer bewegten sich, und die Zähne zermalmten das Fleisch. Er regte sich nicht... da merkte er, wie kleine Finger seine Lippen berührten und einen winzigen Bissen Fleisch zwischen sie steckten. Und weil er nicht mehr essen wollte - weniger deshalb, weil er böse wurde -, weinte Labiskwee sich in seinen Armen in den Schlaf. Aber er blieb wach, voll Verwunderung über die Liebe und die Wunder der Frau.
    Dann kam der Tag, an dem sie nichts mehr zu essen hatten.
    Die hohen Gipfel zogen sich immer weiter zurück, die Wasserscheiden wurden immer niedriger, und der Weg nach dem Westen lag offen und verheißungsvoll vor ihnen. Aber die letzten Kraftreserven waren schon erschöpft, und weil sie nichts zu essen hatten, kam bald der Augenblick, da sie sich abends hinlegten und morgens nicht mehr aufstehen konnten.
    Labiskwee lag bewußtlos, und ihr Atem ging so schwach, daß Kid oft glaubte, sie wäre tot. Am Nachmittag wurde er durch das Schnattern eines Eichhörnchens geweckt. Er schleppte den schweren Stutzen hinter sich her, als er durch die Kruste, die zu Schlamm geworden war, watete. Bald kroch er auf Händen und Knien, bald stand er aufrecht und fiel dann vornüber, während das schnatternde Eichhörnchen vor ihm herkletterte, langsam und spöttisch, daß es ihm wahre Tantalusqualen verursachte. Er hatte nicht Kraft genug, einen schnellen Schuß abzugeben, und das Tier verhielt sich nie still. Zuweilen wälzte sich Kid im nassen Schnee und heulte vor Schwäche. Zuweilen schienen seine Lebensgeister ganz zu entschwinden, und er versank in Bewußtlosigkeit. Wie lange er in der letzten Ohnmacht gelegen hatte, wußte er nicht, aber er kam wieder zum Bewußtsein, als er in der windigen Abendluft vor Kälte zitterte; da waren seine nassen Kleider bereits am Boden festgefroren. Das Eichhörnchen war verschwunden, und nach einem furchtbaren Kampf mit seiner Kraftlosigkeit kam er wieder zu Labiskwee zurück. So erschöpft war er, daß er die ganze Nacht wie tot dalag und nicht einmal träumte.
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und dasselbe Eichhörnchen schnatterte lustig in den Wipfeln der Bäume, als Labiskwee ihre Hand sanft auf Kids Wange legte und ihn weckte.
    »Lege deine Hand auf mein Herz, Geliebter«, sagte sie. Ihre Stimme war klar, aber schwach und schien aus weiter Ferne zu kommen. »Mein Herz ist meine Liebe, und du hältst es in deiner Hand.«
    Es schien lange Zeit vergangen zu sein, als sie wieder sprach: »Vergiß nicht, daß es keinen Weg südwärts gibt. Das weiß das ganze Volk der Rentiere! Westwärts... dorthin geht der Weg... und du bist schon nahe am Ziel... und du wirst es erreichen.«
    Aber Kid versank in eine Ohnmacht, die fast der Tod war, und erwachte erst, als sie ihn wieder weckte.
    »Lege deine Lippen an die meinen«, bat sie. »So will ich sterben...«
    »Wir wollen zusammen sterben, Geliebte«, gab er zur Antwort.
    »Nein.« Eine leise zitternde Bewegung ihrer Hand ließ ihn verstummen... so schwach war jetzt ihre Stimme, daß er sie kaum hören konnte, und doch hörte er alles. Ihre Hand tastete unsicher nach irgend etwas in der Kapuze der Parka, dann zog sie ein Säckchen hervor, das sie in seine Hand legte.
    »Und jetzt reichst du mir deine Lippen, Geliebter. Deine Lippen auf meinen Lippen... deine Hand auf meinem Herzen...«
    Doch während des langes Kusses wurde er wieder bewußtlos, und als er

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