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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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dabei.
    »Svenja, so wie es aussieht, musst du Cara allein zum Flughafen bringen. Ich werde mich vorher von ihr verabschieden. So wie ich sie kenne, wird sie dafür Verständnis aufbringen«, antwortete Jung etwas schroff. Ihm kamen gleichzeitig Zweifel, ob er seiner Frau nicht zu viel zumutete und ob er nicht besser beraten gewesen wäre, etwas diplomatischer vorzugehen, vielleicht mit etwas mehr Gefühl und Herz. Aber das lag ihm nicht. Er war sich linkisch vorgekommen, wann immer er den Versuch dazu unternommen hatte. Gleichwohl musste er sich eingestehen, dass er selbst gern Empfänger von Herz und Gefühl war und Grobheiten ihn abstießen und verletzten.
    Svenja zeigte sich kühl und abwesend. Sie schwieg. Jung fühlte sich schuldig und kam unter Druck, irgendetwas sagen oder tun zu müssen. Ihm fiel nichts Passendes ein.
    »Dann dauert es ja nicht mehr lange, und ich habe eine sturmfreie Bude«, bemerkte sie schließlich. Die Ironie in ihrer Stimme war äußerst selten und deswegen besonders beunruhigend. »Schöne Aussichten. Clemens studiert mit Jessi in Freiburg und probiert schon mal das kleine Eheleben zu zweit aus. Hoffentlich wird’s kein großes. Cara verschwindet in den Fernen Osten auf der Suche nach japanischer Kultur. Du gehst auf Mörder-Safari nach Afrika. Und ich bringe ADS-Teenies das Lesen und Schreiben bei. Das ist doch eine schöne Aufgabenverteilung, findest du nicht auch?«
    »Das klingt aus deinem Mund so, wie es nicht ist«, erwiderte Jung lahm. Er fühlte deutlich, was sie bewegte, und gab ihr recht. Er schwieg.
    »Gut, sehen wir den Dingen ins Auge«, brach Svenja das Schweigen. Ihr Oberkörper hatte sich gestrafft. »Du musst noch die Krankenversicherung für Cara auf Stand-by stellen. Sie ist während ihrer Zeit in Japan durch die Organisatoren versichert, übrigens auch haftpflichtversichert. Das Gleiche gilt für deine Krankenversicherung.«
    »Wieso das? Woher weißt du das?«, unterbrach Jung sie erleichtert, weil das Gespräch sich normalisierte.
    »Ich weiß das von einem meiner Schüler, dessen Vater das Gleiche durchgemacht hat. Du unterliegst während der Zeit bei der Marine der freien Heilfürsorge des Bundes, so heißt das wohl offiziell. In der Zeit brauchst du keine private Versicherung mehr.«
    Das Gespräch war jetzt auf der Ebene angekommen, auf der konkrete Fragen geklärt, Aufgaben verteilt und Aktionspläne entworfen wurden. So klang der Abend mit der Bewältigung dessen aus, was relativ leicht zu meistern war, bis Cara anrief. Sie teilte ihren Eltern mit, dass sie die Nacht bei ihren Freunden verbringen und morgen früh von dort zur Schule gehen würde. Von da an unterhielten sie sich über Erziehungsfragen und kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass sie Cara zutrauen konnten, die Verantwortung für sich zu übernehmen.
     
     

Der Leitende
    Jung hatte gut und lange geschlafen. Er hatte keine Eile und frühstückte ausgiebig, mit Genuss und ohne sich Gedanken über einen pünktlichen Dienstbeginn zu machen. Svenja hatte Brötchen aus Padborg geholt, gleich hinter der Grenze zu Dänemark, die nur Minuten von ihnen entfernt lag. Sie beide liebten knusprige Italienske, eine Brötchensorte, die mit dänischer Butter, mild ost 8 und frisch gebrühtem Kaffee köstlich schmeckte.
    Das Wetter hatte sich nicht geändert. Ein grauer Himmel wölbte sich über der Stadt. Als Jung sein Auto im Innenhof der Polizeiinspektion abgestellt hatte, fing es an zu regnen. Petersen begrüßte ihn am Aufgang zum Treppenhaus. »Moin, Herr Jung, Schluss mit der Ruhe. Der Alte ist da und macht Action.«
    »Moin, Petersen. Sie haben es ja geahnt. Was ist denn los?«
    »Er wartet auf Sie und hat mir aufgetragen, Sie sofort zu ihm zu schicken. Hat schon zwei Mal nach Ihnen gefragt.«
    »Was wäre eigentlich gewesen, wenn ich gestern oder vorgestern nach ihm verlangt hätte?«, fragte Jung provokativ zurück.
    »Nichts. Der Chef war einfach weg, alles klar?«
    »Na denn, auf in die Höhle des Löwen.«
    »Wird schon nicht so schlimm werden.«
    »In diesem Fall glaube ich Ihnen aufs Wort, Petersen. Schönen Tag noch.«
    »Danke ebenfalls, Herr Jung. Viel Glück.«
    Er stieg das Treppenhaus hoch in die Teppichetage. Alle Türen standen offen. Jung hatte das Gefühl, als hätte sein Chef schon seit Stunden auf der Lauer gelegen. Er rief Jung zu sich herein, sobald er seine Schritte im Flur vernahm. »Guten Tag, Jung, wie geht’s? Haben Sie gut geschlafen?«
    »Guten Tag, Herr Holtgreve.«
    Jung

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