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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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tränenüberströmten, samenverkrusteten Körpern stand, steuerte eure letzte überkandidelte Ballade gerade ihrem Ende zu, und ich hatte noch nicht einen Ton eurer Musik gehört. Sorry.«
    Was ich denke? Ganz ehrlich? Ich denke, ich würde dich und den Rest deiner Band gerne in Agonie schreien hören. Es sind Schreie vor Schmerzen, verursacht durch Hodenkrebs oder so etwas. Ich denke daran, dass ich mir letzte Woche für 180 Pfund eine Krawatte gekauft und sie ein paar Stunden später betrunken in Soho wieder verloren habe. Ich denke darüber nach, diesen armseligen, mittellosen Penner genau das zu erzählen. Stattdessen verkünde ich: »Großartiger Gitarrensound.«
    »Oh ja«, sagt der Manager und beginnt davon zu labern, dass Doug – oder wer auch immer – bereits Gitarre spielt, seit er ein verfickter Fötus ist. Doug blickt verschämt lächelnd zu mir auf. Ich kann mich gerade noch zurückhalten, ihm seine dämliche, talentfreie Fresse einzuschlagen. Am liebsten würde ich aufstehen und durch den ganzen Raum Anlauf nehmen, um ihm mit voller Kraft in seine käsigen, pickeligen, stinkenden Indie-Eier zu treten. Aber, vernünftig wie eh und je, beschränke ich mich darauf zu nicken, zuzuhören und eine ganze Weile lang Sachen wie »Ja?« und »Ja!« oder »Klasse« und »Tatsächlich?« zu sagen.
    Ich hasse Indie-Musik. Bis vor ein paar Jahren konnte man sie noch guten Gewissens ignorieren. Schließlich waren das nur ein Häuflein Loser, die in Camden miteinander rummachten. Dann taucht aus dem Nichts so ein Autoknackerpärchen aus Manchester mit einem Beatles-Songbook unterm Arm auf, und plötzlich musst du dir diesen ganzen Scheiß anhören und all diese Meetings besuchen, bloß damit du die nächsten von der Sorte nicht verpasst. Es ist ein verfickter Albtraum.
    Ich bin müde. Nach der Rückkehr aus Waters’ Wohnung bekam ich gerade mal zwei Stunden unruhigen, im wahrsten Sinne des Wortes »verkoksten« Schlafes, dann musste ich wieder aufstehen und zum neuen Haus fahren, wo mich ein weiteres Problem erwartete.
    Ich habe mir eine Bretterbude ganz oben in Ladbroke Grove gekauft. Desoto hat Trellick und mich mit einem windigen Grundstücksmakler verkuppelt, der sich auf »unterbewertete Erschließungsmöglichkeiten« spezialisiert hat. Was nichts anderes heißt, als dass er verwahrloste Rentner (idealerweise solche ohne engere Verwandtschaft) davon überzeugt, ihre verwahrlosten Häuser, in denen sie zeitlebens wohnen, seien deutlich weniger wert, als sie es tatsächlich sind. Du kaufst eins, entkernst es, schmirgelst die Farbe runter, überholst die Original-Kamine, renovierst die Holzböden und verhökerst es einige Monate später mit irrsinnigem Gewinn.
    Ich hielt mit dem Wagen vor dem Haus und stieg die Eingangstreppe hoch. Dort hockte ein Trio baff dreinblickender albanischer Bauarbeiter, die, über Teetassen und Boulevardzeitungen gebeugt, wie die Schlote qualmten. Im Flur traf ich auf ein weiteres Grüppchen Albaner, das um eine Teekiste herumlungerte und eine stinkende, mit Essig durchweichte Portion Fisch und Chips verschlang. Im Wohnzimmer entdeckte ich schließlich Murdoch, ihren Boss und meinen Bauleiter, wie er in einer riesigen Pfütze stand und nachdenklich die Wand anstarrte.
    Der Putz war in einem Bereich von etwa zwei Metern Durchmesser von der Wand geschlagen worden. Eine schwarze, klaffende Wunde entblößte dort nun die Eingeweide des alten Hauses: einen Hydrakopf altertümlicher Drähte und rostiger Kupferrohre. Eines der Rohre war hastig bandagiert worden, aber ein dünnes Rinnsal Wasser rieselte weiter durch das Loch in die Wand. »Das ist ein Scherz, oder?«, sagte ich.
    »Kiennessorrrje«, erwidert Murdoch heiter.
    »Klempnerrr’jesock’sjedeminuuudehier. Obwulwer’sjaschunrrrausjefundenham.«
    »Was herausgefunden haben?«
    »Datrrrohrdatlecktschunnehwischkeitun’zwochenendedochmasinuffembestenweech.«
    Murdoch versuchte mir mitzuteilen, dass das Rohr bereits seit geraumer Zeit leckt und Schäden an der gesamten Wand verursacht hat. Es hat drei quälende Monate gedauert, aber inzwischen beherrsche ich das grauenhafte gutturale Schottisch, das Murdoch spricht, fließend. Es ist, als hätte man mich gezwungen, eine Sprache zu lernen, die ich nie wieder benötige.
    Es hat absolut keinen Sinn, Murdoch gegenüber ungehalten zu werden. Er redet dann einfach noch mehr. Man muss ihm bloß die Frage stellen: »Wie lange und wie viel?«
    »Also …« Er zündete sich eine seiner

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