Kill your friends
sage: »Sollen wir auf die Band im Falcon scheißen und zu dir zurückfahren? Uns ein paar Gedanken über Produzenten machen? Eine Auswahlliste erstellen? Uns noch etwas Puder reinpfeifen?«
Er grinst. Okay, er kommt so nah an ein Grinsen, wie es seine koksgestrahlten Gesichtszüge zulassen. Er sieht aus, als würde er gleich versuchen, seine Oberlippe mit seinen unteren Schneidezähnen zu essen. Genau genommen sieht er aus, als hätte er einen verfickten Schlaganfall. Aber er nickt.
Waters beugt sich nach vorn, verströmt dabei einen frischen Schwall Schweiß, legt eine Hand auf die Schulter des Fahrers und gibt ihm seine Adresse in Notting Hill. Wir biegen verbotenerweise nach links auf die Camden High Street ab. Die U-Bahn-Station, The Brassiere, ein paar Gothic-Teens vor dem Electric Ballroom, während eine Pennerin mit einem schmutzigen Verband um den Arm einen Mülleimer durchwühlt.
Gegen ein Uhr nachts sind wir mit dem dritten Gramm fast durch. Waters redet immer noch. Ich glaube nicht, dass er, seit wir das Dublin Castle verlassen haben, auch nur einmal damit aufgehört hat. Er gießt Drinks nach, während ich seine Plattensammlung durchforste. Er hat vielleicht 25 CDs, größtenteils Promos von Major Labels und ein paar »Best-Of«-Alben: Fleetwood Mac, Japan, die beschissenen Doors. Aus irgendeinem Grund, einem unerklärlichen, Das-wird-dich-bis-ins-Grab-verfolgen-Grund, besitzt er Nuisance, das Debütalbum von Menswear. Ich finde auch ein Vorabmuster des neuen Box-Sets von The Jam, das die Polydor rausbringt und Gang Of Fours Entertainment. Meine CD von Gang Of Fours Entertainment. Genau die, die vor ein paar Wochen aus meinem Büro verschwunden ist. Was Waters verblüffende, spastisch deplazierte Verwendung des Wortes »kantig« vorhin erklärt. Ich lege CD 2 aus der Jam-Box ein. »Danke«, sage ich, nehme das Wasserglas voller Wodka, das er mir reicht, und versinke in seinem absurd riesigen Sofa. »Also, wo waren wir stehen geblieben?«, fragt Waters, tippt mit dem Kugelschreiber an seine Zähne und starrt auf ein Din-A4-Blatt.
Wir machen seit beinahe zwei Stunden »Brainstorming«. Auf das schmierige Blatt Papier vor ihm hat Waters mit Mutantenklaue zwei Namen gekrakelt: Ed Bueller und Dave Eringa. Beides Vorschläge von mir. Waters Hund liegt schlafend auf dem Sofa. Auf dem Beistelltisch zwischen uns liegt ein koksbesprenkelter Spiegel, daneben stehen überfüllte Aschenbecher und eine leere Flasche Stoli. Auf dem Fußboden fliegen Ausgaben der Music Week herum, allesamt auf der Seite mit den Album-Charts aufgeschlagen, die wir zur Inspiration nach Produzentennamen durchsucht haben. Waters denkt angestrengt nach. Beziehungsweise er hat den Gesichtsausdruck aufgesetzt, von dem er vermutet, dass Menschen ihn benutzen, wenn sie denken: zerfurchte Stirn, zerknitterte Brauen, den Blick auf mittlerer Distanz ins Leere gerichtet. Ich frage mich, was wirklich in seinem Kopf vorgeht, wenn dort überhaupt etwas vor sich geht. Ich stelle mir im Inneren seines Kopfes einen schlafenden Esel vor, eine auf der Rollbahn explodierende 747, einen nuklearen Winter. »Wie wäre es mit …«, sage ich, setze mich auf, greife nach seiner American-Express-Karte, schiebe etwas Puder zu mir herüber und genieße die dramatische Pause, während Waters hoffnungsvoll aufblickt, »… Guy Stevens.«
Ich warte ein paar Sekunden, während sein Hirn mit der Geschwindigkeit eines vornüberkippenden Containers voll zähflüssigem Beton in Bewegung gerät. Irgendwo in seinen Augen glimmt ein vages Licht, ein klitzekleiner Hinweis darauf, dass dort drinnen so etwas wie ein Gehirn lebt und arbeitet. »Du weißt schon«, gebe ich ihm Hilfestellung, »er hat London Calling produziert. Und Mott the Hoople.«
»Ach, Guy Stevens!«, ruft der Clown, als hätte ich Guy Stephenson oder Guy Simons oder etwas in der Art gesagt. »Ja, ja, großartige Idee«, sagt er und notiert begeistert den Namen eines Mannes, der seit beinahe zwanzig Jahren tot ist. »Ich hol die Drinks«, sage ich.
Waters Küche ist Chrom und Marmor, klarlinig, halogenbeleuchtet und unbenutzt. Ein Aluminium-Baseballschläger mit marineblauem Ledergriff lehnt am Kühlschrank. »Sicherheit für Heim und Haus«, hat Waters beiläufig gesagt, als wir vorhin reinkamen. Ich schnappe mir Mörser und Stößel und zermahle drei Valium, zwei Ecstasy-Pillen, einige 2CBs und eine Messerspitze hammerheftiges, mehrfach prämiertes, Hardcore-Schwuchtelerprobtes Ketamin. »Scheiß
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