Kill your friends
Unverfrorenheit besaßen, mir Tracks vorzuspielen, deren spätere Verkäufe in die Millionen gingen.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass ich drei oder vier Tracks abfeiern werde, die eindeutige, hundertprozentige Rohrkrepierer sind. Wir, mein Label, haben Millionen, im wahrsten Sinne des Wortes, Millionen von Pfund in Musik investiert, die, wie sich herausstellte, niemand hören wollte, der halbwegs bei Verstand war.
Da stellt sich möglicherweise die Frage, was für Musik ich eigentlich mag? Unglaublich, aber danach wird man tatsächlich von Zeit zu Zeit gefragt. In der Regel von einem Grünschnabel, einem überambitionierten Junior Product Manager, der sich einem zum Lunch aufdrängt, oder dem Musiker irgendeiner Band, um die du dich gerade bemühst. Den Grünschnabel hat man schnell mit einem barschen »Verpiss dich!« in seine Schranken gewiesen. Und der Typ von der Band, die du unter Vertrag nehmen willst, bekommt eine mit feierlichem Ernst heruntergebetete Litanei einflussreicher Bands und Songwriter vorgesetzt. »Oh ja«, hebst du bedeutungsschwer an, »Dylan, Joni Mitchell, The Clash, Hüsker Dü, The Band, Lennon.« Die Liste kann man ganz nach dem musikalischen Geschmack des Vollidioten, mit dem du dich gerade unterhältst, kürzen oder ergänzen. Welche Musik gefällt mir? Einem Major-A&R diese Frage zu stellen, ist, als würde man einen Arbitragehändler fragen, welche Waren er mag. Oder zu einem Investmentbanker sagen: »Hey, welches ist deine Lieblingswährung?« Ich habe einen recht breit gefächerten musikalischen Geschmack. »Eklektisch«, wie spastische Musiker sagen, wenn sie in Interviews clever klingen wollen. Mich interessiert es nicht, welchem Genre etwas zugehörig ist – Rock, Trance, HipHop, beschissener bulgarischer Heavy Metal –, solang es profitabel ist.
Schlussendlich liege ich dennoch höchstens bei einem dieser zehn Tracks richtig. Solange mir das allerdings alle paar Jahre gelingt, schlage ich mich verdammt gut und bin den anderen voraus. Ich meine, da gibt es Typen, die niemals richtig liegen.
Das Wichtigste, was man über Meetings wissen muss, ist: Nichts Wichtiges wurde jemals in einem Meeting entschieden.
Wenn du tatsächlich etwas erreichen willst, solltest du das beim Lunch, im Büro von wem auch immer, auf dem Flur, bei einem Drink, beim Dinner, überall sonst, bloß nicht bei einem verfickten Meeting ansprechen. Dafür sind Meetings jedoch der ideale Ort, um Leuten ans Bein zu pissen – sie zu demütigen, zu demontieren und nach Strich und Faden zur Sau zu machen.
Das gilt besonders für jene Sitzungen, bei denen Vertreter verschiedener Abteilungen anwesend sind. Am Business-Affairs-Meeting, zu dem ich mich gerade einfinde, nehmen Trellick von der Rechtsabteilung, Leaderkramer aus der Buchhaltung, meine A&R-Kollegen Hastings und Waters und meine Wenigkeit, Schneider, Head of A&R und mein direkter Vorgesetzter, sowie Nicky, Head of International, teil. Am Kopf des elegant geschwungenen Glastisches sitzt Derek Sommers, der Managing Director. Derek ist mit seinen fünfundvierzig Jahren mit Abstand die älteste Person im Raum. Trellicks persönliche Assistentin Katy führt Protokoll.
In Meetings wie diesen ist es ausgesprochen hilfreich, die eine oder andere vertrauliche Information über die geschäftlichen Angelegenheiten der anderen als Trumpf in der Hinterhand zu haben. Etwas, das sie hätten wissen müssen oder was sie angekündigt, aber nicht getan haben. Im passenden Moment spielst du dann deine sorgfältig ausgewählte Karte – in der Regel in Form einer unschuldigen Frage oder Beobachtung – und gehst auf Distanz. Das Business-Affairs-Meeting ist ein besonders geeignetes Forum für diese Art von Hinterhalt, denn hier wird mit hohen Einsätzen gespielt. Die Vertragsabschlüsse eines jeden A&Rs werden grafisch analysiert: Wie viel hast du für diesen Act ausgegeben, wie viele Platten hat er verkauft, was muss noch ausgegeben werden, wie viel mehr kann noch verkauft werden? Wie bei einem Kontoauszug gibt es keine Möglichkeit, etwas zu verbergen. Es gibt nur Soll und Haben. Und, glaubt mir, wir vergeuden nicht allzu viel Zeit damit, über das Haben zu reden.
»Paul, die Rage-LP?«, wendet sich Trellick an Schneider und wischt sich ein Büschel dichter blonder Wolle aus der Stirn. James Trellick ist ein piekfeiner Pinkel, das Endprodukt eines feudal speisenden, die Armen in den Arsch fickenden Geschlechts, dessen Stammbaum bis zur Offenbarung des Johannes
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