Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Mikolashek:
»Und wenn es nicht die richtigen Leute sind, können Sie sie dann wieder zurückbringen?«
Harward warf den anderen Offizieren in der Kommandozentrale einen irritierten Blick zu. Er holte tief Luft, bis er seine Wut unter Kontrolle hatte. Dann versicherte er dem General, dass er die Gefangenen, die man gerade mit Handschellen gefesselt in einen Helikopter geschoben hatte, der zum Stützpunkt in Kandahar zurückkehrte, durchaus an den Ort ihrer Festnahme zurückbringen könne – wenn nötig.
Mikolashek hatte gerade erfahren, dass Mullah Khairkhwa und seine Helfer keineswegs in dem Hubschrauber saßen. Khairkhwa, der ehemalige Innenminister der Taliban, befand sich in einem anderen weißen Kleinlaster, der gerade die Grenze nach Pakistan überquert hatte. Und die CIA wusste es.
Der Afghanistankrieg währte damals vier Monate. In Kabul war gerade eine neue Regierung installiert worden, und es kamen immer mehr amerikanische Soldaten ins Land. Mullah Khairkhwa hatte tagelang mit dem Halbbruder des Präsidenten, Ahmed Wali Karzai, darüber verhandelt, sich zu ergeben und ein Informant der CIA zu werden. Ahmed Wali stand selbst auf der Gehaltsliste der CIA (eine Verbindung, die Jahre später zu Spannungen zwischen der CIA und dem Militär in Kabul führen sollte), und amerikanische Agenten hatten dem Mullah die Botschaft übermittelt, dass er als Informant seiner Verhaftung und einem langen Aufenthalt in dem neu erbauten Gefängnis in Guantánamo Bay entgehen könne.
Auch nach mehrtägigen Verhandlungen war sich Khairkhwa jedoch nicht sicher, ob er den Amerikanern trauen konnte. Er telefonierte mit einem anderen Kommandeur der Taliban und informierte ihn, dass er nach Pakistan fliehen wolle. Das Telefonat wurde von Beamten des militärischen Geheimdiensts abgehört. Sie informierten Mikolashek, und dieser befahl Captain Harward in Kandahar, den Minister der Taliban gefangen zu nehmen, bevor er es über die Grenze schaffte. Ein Hubschrauber startete und flog nach Süden, um sich Khairkhwa zu schnappen. Seinem weißen Kleinlaster folgte eine Predator-Drohne der CIA , die dem Helikopter den Weg wies.
Doch die CIA verfolgte einen anderen Plan. Der Krieg in Afghanistan hatte den Geheimdienst zu einem engen Bündnis mit dem pakistanischen Nachrichtendienst Directorate for Inter-Services Intelligence ( ISI ) gezwungen, und bei der CIA hoffte man, pakistanische Spione würden Khairkhwa festnehmen und ihn dazu ermutigen, ein Informant zu werden. Außerdem würde die Festnahme eines Talibanführers in Pakistan der Regierung in Islamabad vielleicht ein gewisses Wohlwollen in Washington einbringen.
Kurz nachdem der Hubschrauber des Militärs in Kandahar gestartet war, brach die Drohne der CIA die Verfolgung von Khairkhwas Kleinlaster ab, sodass die Soldaten in dem Helikopter nicht mehr wussten, wo sich ihr Ziel befand. Die Offiziere des Militärgeheimdiensts in der Kommandozentrale der Spezialeinsatzkräfte brüllten wutentbrannt in ihre Telefone und forderten die CIA auf, die Drohnenüberwachung sofort wieder aufzunehmen. Es dauerte mehrere Minuten, bis eine zweite CIA -Drohne eintraf – aber einen ganz anderen weißen Kleinlaster verfolgte.
Die CIA führte die Soldaten in dem Hubschrauber zum falschen Ziel, während Mullah Khairkhwa und seine Leute bei Spin Boldak die Wüstengrenze nach Pakistan passierten. Tage später stürmten pakistanische Sicherheitskräfte nach weiteren fruchtlosen Verhandlungsrunden mit Khairkhwa das Haus in dem Dorf Chaman, wo er sich versteckt hielt. Pakistanische Geheimdienstbeamte übergaben den Talibanführer im pakistanischen Quetta an CIA -Kollegen, und der Mullah trat seine lange Reise nach Guantánamo an. Er wurde einer der ersten Insassen des neuen Gefängnisses auf der Insel.
Die drei Männer und der kleine Junge, die von den Spezialeinsatzkräften verhaftet und in ein Internierungszentrum in Kandahar gebracht worden waren, wurden wieder in einen Hubschrauber geladen und 65 Kilometer nach Süden geflogen. Der Kleinlaster stand immer noch an derselben Stelle, wo ihn die Amerikaner gestoppt hatten. Die Afghanen konnten ihren Weg fortsetzen, nun jedoch mit mehreren Pappkartons amerikanischer Militärrationen im Gepäck. Aus Rücksicht auf ihren Glauben hatte man die Mahlzeiten mit Schweinefleisch aus den Kartons entfernt.
*** Vor 2005 hatte der CIA-Direktor den offiziellen Titel Director of Central Intelligence oder DCI.
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»Pakistan hat solche
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