Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
indem es als Gegengewicht zu den Gruppen der Nordallianz, die schon lange von Indien unterstützt wurden, eine Gruppe halb analphabetischer paschtunischer Stammeskrieger aus dem Süden Afghanistans förderte, die Taliban.
Der ISI betrachtete sie als paschtunische Verbündete, die zwar seltsame Fanatiker waren, aber verhindern konnten, dass die Nordallianz Afghanistan übernahm und an der pakistanischen Westgrenze einen, wie der ISI fürchtete, indischen Satellitenstaat gründete. Die pakistanische Militärführung hatte außerdem das Gefühl, so viel für die Vertreibung der Sowjets aus Afghanistan getan zu haben, dass sie nun das Recht habe, in der afghanischen Regierung die Strippen zu ziehen.
Die amerikanischen Vertreter in Islamabad mussten in den 1990er-Jahren feststellen, dass sie keine Druckmittel besaßen, als sie den ISI aufforderten, die Talibanregierung in Kabul zur Auslieferung Bin Ladens zu bewegen. Denn während der pakistanische Geheimdienst die Taliban durch Geld und militärstrategische Beratung unterstützte, hatten die USA Pakistan den Geldhahn zugedreht. Auch als al-Qaida 1998 gleichzeitig Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania verübt hatte und die Amerikaner ihre Forderung mit mehr Nachdruck erhoben, blieb der pakistanische Geheimdienst unbeeindruckt. Die amerikanischen Vertreter in Pakistan schickten eine ganze Kette von Telegrammen nach Washington, in denen sie ihre Misserfolge detailliert schilderten. Ein im Dezember 1998 an das Außenministerium gerichtetes Telegramm aus Islamabad hatte die sarkastische Überschrift: »Osama Bin Laden: Pakistan ist offenbar nicht geneigt, hilfreich zu sein.« Als ein amerikanischer Diplomat in einem Gespräch mit General Ehsan ul-Haq, einem späteren Chef des ISI , den Namen Bin Laden erwähnte, reagierte dieser gereizt und knurrte: »Ich verstehe nicht, warum ihr Amerikaner euch solche Sorgen um Afghanistan macht.«
Am Morgen des 11. September 2001 befand sich der Chef des ISI , General Mahmud Ahmed, gerade bei einem Treffen mit Abgeordneten in einem abhörsicheren Raum des House Permanent Select Committee on Intelligence in Washington. Der kleine, stämmige Mann mit dem buschigen weißen Schnurrbart, der bis zur Mitte beider Wangen reichte, war Geheimdienstchef, seit General Pervez Musharraf 1999 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war, und er gab sich keine Mühe, seine Sympathien für die Taliban zu verhehlen. Er hatte früher einmal einen pakistanischen Militäranalysten zusammengestaucht, weil dieser zu Musharraf sagte, die Taliban-Politik wirke sich negativ auf Pakistans Verhältnis zu anderen Ländern aus. »Die Taliban«, hatte der Chef des ISI erklärt, »sind die Zukunft Afghanistans.«
An jenem Morgen auf dem Capitol Hill hatte Ahmed ein freundliches Gespräch mit dem führenden republikanischen Abgeordneten im Geheimdienstausschuss Porter Goss, in dem er mit seinem Wissen über obskure Fakten des Amerikanischen Bürgerkriegs brillierte. Goss hatte ein Buch über den Bürgerkrieg als Geschenk verpackt, das er Ahmed überreichen wollte, doch der Austausch von Höflichkeiten wurde unterbrochen, als Referenten des Ausschusses in den Raum stürmten und den Abgeordneten und dem Geheimdienstchef mitteilten, dass gerade ein zweites Flugzeug in das World Trade Center hineingerast war. »Mahmud wurde aschfahl im Gesicht«, erinnert sich Goss. Der pakistanische Geheimdienstchef verabschiedete sich hastig und sprang in das Auto der Botschaft, das auf ihn wartete. Das Buch blieb eingepackt liegen.
Am folgenden Morgen wurde Ahmed in das Büro des Vizeaußenministers Richard Armitage bestellt, dem nicht nach diplomatischer Korrektheit zumute war. In der Nacht zuvor hatte Präsident Bush bekannt gegeben, dass die USA zwischen den Tätern und ihren Hintermännern keinen Unterschied machen würden, und Armitage nahm kein Blatt vor den Mund, was das Dilemma des ISI betraf.
»Pakistan steht vor einer schwierigen Wahl: Entweder es ist für oder gegen uns«, sagte Armitage zu dem pakistanischen Geheimdienstchef, und er fügte hinzu, er müsse sich für schwarz oder weiß entscheiden, ohne Zwischentöne.
Beleidigt ob Armitages brutaler Offenheit, antwortete Ahmed, Pakistan werde zwar schon lange beschuldigt, mit den Terroristen »im Bett zu sein«, aber nichts liege der Wahrheit ferner. Sein Land werde die Vereinigten Staaten ohne Zögern unterstützen, sagte er, und er versicherte: »Pakistan hat solche Dinge
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