Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
erlebt, welch schweren Tribut die CIA für jahrelange unkontrollierte Geheimoperationen zahlen musste.
»Wir hätten eine Lehre aus den 1970er-Jahren ziehen sollen«, kommentierte Carlucci in einem Memorandum den Bericht des Generalinspekteurs, aber stattdessen »haben wir eine Organisation aufgebaut, die nicht rechenschaftspflichtig ist.« Er zog einen Vergleich mit der Figur Topsy aus Onkel Toms Hütte von Harriet Beecher Stowe , einem jungen Sklavenmädchen, von dem niemand wusste, wo es herkam und wie es aufgewachsen war: »Wir haben unsere eigene CIA geschaffen, aber wie Topsy, ohne Koordination und Kontrolle.«
Im folgenden Jahr plante das US -Militär ein Kommandounternehmen in Grenada, um eine Gruppe amerikanischer Medizinstudenten zu befreien, die als Geiseln genommen worden waren. Der Kommandeur des Einsatzes weigerte sich, die ISA an der Operation zu beteiligen, weil er der Organisation und ihrem Chef Colonel King nicht traute. In der Folge irrten die amerikanischen Spezialeinsatzkräfte im Dezember 1983 auf der karibischen Insel herum, ohne eine klare Vorstellung vom Aufenthaltsort der Studenten zu haben. »Wir wussten erbärmlich wenig über Grenada«, erinnerte sich Dewey Clarridge, der damalige Chef der Lateinamerikaabteilung der CIA . »Wir arbeiteten praktisch im Dunkeln.«
Als ob es für die ISA nicht schon schlecht genug gelaufen wäre, versuchte die CIA nun auch noch ihre Operationen zu sabotieren. Den Spitzenbeamten der CIA gefiel es gar nicht, dass das Militär eine eigene Nachrichtenbeschaffungsorganisation aufbaute; sie glaubten nicht, dass Soldaten als Spione etwas taugten. Dies hing zum Teil mit einer tieferen Unsicherheit zusammen, die man in Langley gegenüber dem Pentagon empfand. Die CIA war seit ihrer Gründung im Jahr 1947 dessen kleine Schwester gewesen, ein Zwerg im Vergleich zur Personalstärke des Militärapparats und zu dessen Gewicht in den Washingtoner Haushaltskriegen. Der CIA -Direktor kontrollierte nicht einmal die meisten großen Nachrichtenbeschaffungsprogramme der Vereinigten Staaten; die Spionagesatelliten und die weltweiten Horchposten, die 80 Prozent der US -amerikanischen Ausgaben für Nachrichtenbeschaffung verschlangen, wurden aus dem Haushalt des Pentagons finanziert. Während seiner ersten Amtszeit als Verteidigungsminister unter Ford hatte Donald Rumsfeld häufig Revierkämpfe mit der CIA und dem Weißen Haus ausgefochten, mit dem Argument, dass er die Programme auch kontrollieren wolle, wenn er schon für sie bezahle.
Wenn es einen Bereich gab, in dem die CIA glaubte, gegenüber dem Pentagon im Vorteil zu sein, dann war es das Reich der menschlichen Spionage. Deshalb betrachteten viele bei der CIA die Gründung einer Organisation wie der ISA als eine reale Bedrohung für die Existenz des Geheimdiensts. Führende CIA -Beamte flüsterten den Mitgliedern der Geheimdienstausschüsse im Kongress ein, dass die Spione des Pentagons Amateure seien, die in Übersee über die Führungsoffiziere der CIA stolperten. Verdeckte Operationen könnten dadurch auffliegen, sagten sie, und Geheimagenten könnten ihr Leben verlieren.
Die Versuche der CIA , die Spionageanstrengungen des Pentagons zu unterminieren, führten natürlich dazu, dass die Militärführung dem Geheimdienst noch mehr misstraute und erst recht danach trachtete, ihre eigenen Spionageaktivitäten auszubauen. Bei einer Besprechung im Jahr 1983 zwischen CIA -Direktor William Casey und dem Vereinigten Generalstab im sogenannten »Tank«, dem abhörsicheren Konferenzraum des Pentagons, beklagte sich General Meyer wie üblich, dass die CIA nie etwas täte, um dem Militär zu helfen. Casey versuchte den General mit dem Hinweis zu besänftigen, dass sein Vorgänger Admiral Stansfield Turner selbst ein Militär gewesen sei. Doch Meyer wollte nichts davon hören. »Es stimmt schon, was Sie sagen, Mr Casey«, meinte er. »Aber dieser Hurensohn hat während seiner ganzen gottverdammten Zeit bei der CIA nicht das Geringste für das Militär getan.«
Obwohl der Bericht des Generalinspekteurs über Kings Gruppe verheerend ausgefallen war und Carlucci sie ganz abschaffen wollte, blieb sie erhalten. Tatsächlich wurde sie sogar zu einem zentralen Element bei Rumsfelds Bestrebungen, die Spionageoperationen des Pentagons dramatisch auszuweiten. Bis Ende 2001 hatte sich die ISA zu einer geheimen Spionageeinheit mit dem Codenamen Gray Fox entwickelt, die mit Asad Munir und den Agenten des pakistanischen Geheimdiensts in
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