Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Skalpell suggeriert, dass die neue Art des Kriegs ohne Fehler und unnötige Kosten vonstatten geht – wie eine Operation ohne Komplikationen. Doch das ist falsch. Sie schafft genauso schnell neue Feinde, wie sie die früheren vernichtet. Sie schürt Hass bei alten Verbündeten und wirkt manchmal destabilisierend, obwohl sie eigentlich Ordnung ins Chaos bringen soll. Sie hat die tradierten Mechanismen außer Kraft gesetzt, nach denen das amerikanische Volk in den Krieg zieht, und den US -Präsidenten zum letzten Richter darüber erhoben, ob bestimmte Menschen in weit entfernten Ländern leben dürfen oder sterben müssen. Diese neue Art von Krieg hat Erfolge gebracht – am Ende sogar die Tötung Osama Bin Ladens und seiner treuesten Anhänger. Aber sie hat auch die Schwelle der Gewaltanwendung gesenkt und dazu geführt, dass die USA heute leichter als jemals zuvor in den fernsten Weltregionen Tötungsoperationen durchführen können. Dieses Buch handelt von einem Experiment, das seit mehr als einem Jahrzehnt andauert – und von seinen Folgen.
Sir Richard Dearlove war es vergönnt, nur wenige Wochen nach den Angriffen des 11. September einen Blick in die Zukunft zu werfen. Der Chef des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6 kam mit anderen führenden britischen Geheimdienstbeamten in die USA , um Solidarität mit dem engsten Verbündeten seines Landes zu demonstrieren. Er besuchte das Hauptquartier der CIA in Langley, Virginia, um persönlich die Botschaft zu überbringen, dass der britische Geheimdienst der CIA den kostbaren Zugang zu allen Akten des MI6 über Mitglieder der al-Qaida gewähren würde.
Die Briten hatten die Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs die schwarze Kunst der Spionage gelehrt, aber sie hatten das Spiel lange nach anderen Regeln gespielt als die USA . »Der amerikanische Charakter strebt nach schnellen, spektakulären Erfolgen, während die britische Methode im Allgemeinen langsam und mühselig ist«, sagte ein Mitglied von Churchills Special Operations Executive im Jahr 1943. Der Engländer verwies auf die Gefahren der Strategie, die das Office of Strategic Services ( OSS ), der Vorläufer der CIA , verfolgte, wenn es auf die Sprengung von Munitionsdepots, das Durchschneiden von Telefonleitungen und die Verminung feindlicher Nachschublinien setzte. Die Amerikaner hätten mehr Geld als Verstand, sagte er, und das Bündnis könne leicht in Schwierigkeiten geraten, weil das OSS »so gerne Cowboys und Indianer« spiele.
Dearlove war in der klassischen britischen Spionagetradition aufgewachsen. Er hatte am Queens’ College der University of Cambridge, einem traditionellen Rekrutierungsfeld der britischen Geheimdienste, seinen Abschluss gemacht, und auf Posten in Afrika, Europa und Washington gedient. Wie seine Vorgänger unterzeichnete auch er alle internen Memos mit dem Codenamen »C«, traditionell stets mit grüner Tinte.
Kurz nachdem sein Flugzeug mit dem Rufzeichen Ascot-1 in Washington gelandet war, saß er im Counterterrorist Center der CIA in Langley. Auf einem großen Bildschirm schauten sich CIA -Beamte ein Video an, das einen weißen Mitsubishi-Kleinlaster zeigte, der in Afghanistan eine Straße entlangfuhr. Dearlove war bekannt, dass die USA die Fähigkeit entwickelt hatten, per Fernbedienung Krieg zu führen, aber er hatte noch nie eine Predator-Drohne in Aktion gesehen.
Mehrere Minuten vergingen, der Lastwagen geriet ins Fadenkreuz auf der Mitte des Bildschirms. Dann wurde der ganze Bildschirm durch eine gewaltige Explosion weiß. Sekunden später klärte sich das Bild wieder und gab den Blick auf das zerfetzte, brennende Wrack des Kleinlasters frei.
Dearlove wandte sich an eine Gruppe CIA -Beamter, zu der auch Ross Newland gehörte, ein Geheimdienstveteran, der Monate zuvor zu der Gruppe gestoßen war, die das Predator-Programm leitete – und sagte mit einem sarkastischen Lächeln:
»Fast ein bisschen unsportlich, nicht wahr?«
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GENEHMIGUNG ZUM T ÖTEN
»Sie sind hier, um Terroristen zu töten, nicht, um sich Feinde zu machen.«
Der pakistanische Staatspräsident Pervez Musharraf zu US-Botschafterin Wendy Chamberlin, 14. September 2001
Das Licht im Situation Room des Weißen Hauses wurde gedämpft, und die CIA -Beamten begannen mit ihrem Diavortrag. Die Bilder waren hastig aufgenommen, grobkörnig und unscharf. Einige zeigten Männer, die in ein Auto stiegen oder eine Straße hinuntergingen. Die Szene in dem verdunkelten Raum hätte aus einem Mafiafilm stammen
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