Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
war eine radikale Veränderung für Tenet, der vor dem 11. September gegenüber seinem Vorgesetzten im Weißen Haus gerne betont hatte, dass sich CIA -Beamte aus der Politik heraushal ten sollten. Er hatte ein fast mönchisches Bild von den Spionen in Langley gezeichnet, die nachrichtendienstliche Analysen produzierten, während die Politiker »auf der anderen Seite des Flusses« im Weißen Haus und im Kongress auf Grundlage dieser Analysen ihre Entscheidungen trafen. James Pavitt sollte später vor der Untersuchungskommission zu den Anschlägen des 11. September aussagen, es sei eine der Lehren aus der Iran-Contra-Affäre der 1980er-Jahre gewesen, »dass wir [in Langley] keine Politik machen … und sie auch nicht wollen, dass wir das tun«.
War dieser Gedanke auch vorher schon eher ein nützlicher Mythos gewesen, so konnte die CIA Ende 2001 jedenfalls nicht mehr behaupten, sich aus schwierigen Entscheidungen über Krieg und Frieden herauszuhalten. Bush verlangte, dass Tenet jeden Tag zum Daily Brief im Oval Office aufschlug. Zum ersten Mal seit der Gründung des Geheimdiensts kam nicht nur ein weniger hochrangiger Analyst, sondern der CIA -Direktor persönlich für den täglichen Bericht ins Weiße Haus. Wie schon seine Vorgänger wusste auch Tenet den persönlichen Zugang zum Präsidenten sehr zu schätzen, und so erschienen er und Cofer Black jeden Morgen mit einem ganzen Katalog terroristischer Verschwörungen und Verschwörer und schilderten dem faszinierten Publikum alle Schritte, die die CIA zum Schutz der Nation unternahm. Die täglichen Sitzungen mit dem Präsidenten machten Tenet und die CIA im Weißen Haus unentbehrlich, wo der Hunger nach Informationen über jede Art von Bedrohungen schier unvermesslich schien.
Doch die Aufmerksamkeit höchster Stellen begann sich negativ auf die Analysen der CIA auszuwirken: Sie wurden kleinteiliger und stärker taktisch orientiert. Hunderte von CIA -Analysten waren mit dem Thema Terrorismus beschäftigt – durchaus verständlich nach einem Angriff, der fast 3000 Amerikaner das Leben gekostet hatte. Doch den Analysten wurde auch schnell klar, dass bei der CIA Karriere machte, wer in der Terrorismusbekämpfung arbeitete und nach Möglichkeit irgend etwas produzierte, das eines Morgens dem Präsidenten im Oval Office vorgelesen würde. Was aber das Weiße Haus forderte, waren Hinweise auf den Aufenthaltsort bestimmter Qaida-Mitglieder, nicht jedoch tiefer schürfende Analysen etwa über das Ausmaß der Unterstützung, die al-Qaida in der muslimischen Welt genoss, oder über die Auswirkungen, die amerikanische Militär- und Geheimdienstoperationen auf eine neue Generation bewaffneter Rebellen haben konnten. Die CIA setzte den gewünschten Schwerpunkt.
Selbst die Terminologie änderte sich mit der Zeit. Früher hatten die Führungsoffiziere und Analysten der CIA den Begriff »targeting« benutzt, wenn es darum ging, bei welchem ausländischen Regierungsvertreter man Informationen beschaffen oder welchen Ausländer man als Informanten gewinnen konnte. Nun jedoch bekam »targeting« für die Analysten, die in das Counterterrorist Center wechselten, eine ganz neue Bedeutung: nämlich eine Person, die als Bedrohung für die USA eingestuft wurde, aufzuspüren und sie gefangen zu nehmen oder zu töten.
Die Konflikte zwischen Cofer Black und James Pavitt wurden heftiger, und Anfang 2002 verließ Black den Geheimdienst und nahm eine Stelle im Außenministerium an. Sein Nachfolger wurde Jose Rodriguez, einer der Spitzenbeamten des Counterterrorist Center und ein gemäßigter Gegenpol zu Black. Dieser verfügte über Nahosterfahrung, und er hatte zu der Handvoll CIA -Beamter gehört, die ein solides Wissen über das Terrornetz Osama Bin Ladens besaßen. Rodriguez dagegen hatte nie in der muslimischen Welt gedient und sprach kein Arabisch. Doch er verstand sich gut mit Pavitt, und einige Geheimagenten hegten sogar den Verdacht, dass er ursprünglich in das Counterterrorist Center versetzt worden war, um Black in dessen Auftrag zu überwachen. Der in Puerto Rico geborene Sohn eines Lehrers und einer Lehrerin war Mitte der 1970er-Jahre nach seinem Juraexamen an der University of Florida zum Geheimdienst gekommen. Seine Laufbahn als Geheimagent hatte er hauptsächlich in der Lateinamerikaabteilung absolviert, die in den 1980er-Jahren für die Abenteuer der CIA in Nicaragua, El Salvador und Honduras verantwortlich war. Damals war er freilich noch so jung, dass er es vermeiden
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