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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Sommerhalbjahrs immer mal wieder allergisch. Sie hatte Heuschnupfen, so hieß das. Wenn ich genauer darüber nachdenke, glaube ich, sie hatte das ganze Jahr über Heuschnupfen.
    »Das hat mein Vater gesagt«, fügte ich hinzu.
    »Ja, ja«, sagte sie. »Kommt Zeit, kommt Rat.«
    Zu der Zeit lernte ich, dass die Erwachsenen so zu reden pflegten. Nicht nur mein Vater sprach so, man musste so sprechen, damit man überhaupt dazu gehörte, um zu zeigen, dass man schon trocken hinter den Ohren war. Seit meine Mutter ernsthaft krank geworden und ins Krankenhaus gekommen war, hatte ich mir die wichtigsten Floskeln eingeprägt, damit ich sie nach Bedarf anwenden konnte.
    Es kommt, wie es kommt.
    Jeder Tag bringt neue Sorgen.
    Es könnte schlimmer sein.
    Man weiß ja so wenig.
    Oder: »Kopf hoch und mit beiden Beinen fest auf dem Boden bleiben«, wie der schielende Karlesson im Kiosk hundertmal am Tag konstatierte.
    Oder: »Kommt Zeit, kommt Rat«, a la Frau Barkman.
    Benny hieß nämlich auch noch Barkman. Benny Jesaias Conny Barkman. Viele gab es, die fanden, das wäre eine merkwürdige Namensaneinanderreihung, aber er selbst beklagte sich nie darüber.
    Ein geliebtes Kind hat viele Namen, pflegte seine Mutter jedes Mal zu sagen und kicherte dabei, dass ihr leberpastetenfarbenes Zahnfleisch zu sehen war.
    »Halt die Klappe«, sagte Benny dann immer.
    Obwohl ich also schon mit einem halben Bein in der
    Erwachsenenwelt stand, konnte ich nicht umhin, ich musste mich immer wieder wundern, warum die Leute nicht einfach still waren, wenn sie doch ganz offensichtlich nichts zu sagen hatten. Wie Frau Barkman. Wie der Kiosk-Karlesson, der manchmal, wenn er viele Kunden hatte, sogar beim Luftholen weiterredete, was, um die Wahrheit zu sagen, fürchterlich klang.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Frau Barkman, als sie das Taschentuch von der Nase genommen hatte.
    »Jeder Tag bringt neue Sorgen«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, nicht so gut.«
    Frau Barkman knetete ihre Hände im Schoß und hatte ganz feuchte Augen, aber das kam sicher nur vom Heuschnupfen. Sie war eine große Frau, die immer geblümte Kleider trug, und mein Vater behauptete, sie wäre ein bisschen debil. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete, und es interessierte mich auch nicht. Es war Benny, mit dem ich reden wollte, nicht seine Mutter mit ihren feuchten Augen.
    »Er scheißt ja lange«, sagte ich, in erster Linie, um erwachsen zu wirken und die Konversation weiterzuführen.
    »Er hat einen nervösen Magen«, sagte sie. »Den hat er von seinem Papa geerbt.«
    Nervösen Magen? Das war das Dümmste, was ich an dem Tag gehört hatte. Ein Magen konnte doch nicht nervös sein? Ich nahm an, dass sie so etwas nur sagte, weil sie debil war, und dass es nichts war, worüber man sich weiter Gedanken machen musste.
    »Ist sie noch im Krankenhaus?«
    Ich nickte. War nicht der Meinung, dass es Sinn haben würde, weiter mit ihr darüber zu reden.
    »Hast du sie besucht?«
    Wieder nickte ich. Natürlich hatte ich das. Was dachte sie sich denn? Es war eine Woche her seit letztem Mal, aber so war es nun einmal. Mein Vater fuhr jeden Tag ins Krankenhaus, und das war doch irgendwie die Hauptsache. Das musste doch sogar so eine wie Frau Barkman kapieren.
    »Jaha ja«, sagte sie. »Jeder hat sein Päckchen zu tragen.«
    Sie seufzte und putzte sich die Nase. Ich hörte die Toilettenspülung, und Benny kam herausgestürmt.
    »Hallo, Erik«, sagte er. »Jetzt habe ich wie ein Pferd geschissen. Wollen wir rausgehen und Scheiße bauen?«
    »Benny«, sagte seine Mutter resigniert. »Achte auf deine Sprache.«
    »Ja, verdammt, ja«, erwiderte Benny.
    Es gab niemanden, der so viel fluchte wie Benny. Niemanden in unserer Straße. Niemanden in unserer Schule. Vermutlich niemanden im ganzen Ort. Als ich in die dritte oder vielleicht in die vierte Klasse ging, kriegten wir eine neue Lehrerin, eine fürchterlich kleinliche mit Unterbiss. Auch noch aus Göteborg. Es hieß, sie hätte eine pädagogische Ader, und am liebsten unterrichtete sie Religion. Als sie sich ein paar Tage Bennys schwefelstinkende Tiraden hatte anhören müssen, beschloss sie, das Problem anzupacken. Mit Zustimmung des Rektors Stigmans und des Klassenlehrers Wermelin durfte sie Benny zwei Stunden die Woche Sprachunterricht geben. Es fing im September an, soweit ich mich erinnere, den ganzen Herbst über waren sie dabei, und zu Weihnachten hatte Benny so ein Stottern entwickelt, dass kein Mensch verstehen

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