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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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genau genommen sogar ziemlich oft. Ich lese eine Menge.«
    Das konnte schon stimmen. Denn ich selbst ging höchstens einmal im Monat dorthin, weshalb es nicht so verblüffend war, dass wir uns hier noch nie getroffen hatten.
    Edmund war ja auch ziemlich neu in der Stadt.
    »Was liest du denn am liebsten?«, fragte ich.
    »Detektivromane«, antwortete er, ohne zu zögern. »Stagge und Quentin und Carter Dickson.«
    Ich nickte. Von denen hatte ich noch nie gehört.
    »Und Jules Verne«, fügte er nach einer Weile hinzu.
    »Jules Verne ist verdammt gut«, sagte ich.
    »Verdammt gut«, stimmte Edmund zu.
    Wir starrten noch eine Weile aneinander vorbei.
    »Was wird nun mit dem Sommer?«, fragte er dann.
    »Was soll damit werden?«, fragte ich zurück.
    »Na, das mit dieser Hütte«, sagte Edmund. »Eurem Haus.«
    Ich verstand nicht so recht, was er meinte oder worauf er hinauswollte.
    »Wieso?«, fragte ich.
    Er nahm seine Brille ab und justierte das Klebeband neu, das sie zusammenhielt. Diesmal war das Gestell offensichtlich direkt über der Nasenwurzel gebrochen.
    »Ach, Scheiße«, sagte er.
    Ich entgegnete nichts. Es verging eine halbe Minute.
    »Kann ich nun mitkommen oder nicht?«, fragte er schließlich.
    »Mitkommen?«, wiederholte ich. »Wie meinst du das?«
    Er seufzte.
    »Oh, Scheiße, schließlich entscheidest du das doch«, sagte er.
    Da kapierte ich.
    Und begann mich plötzlich wie ein Hund zu schämen. Bekam direkt eine Gänsehaut, das ganze Rückgrat hinauf.
    »Natürlich, ist doch klar«, sagte ich.
    Edmund setzte sich die Brille auf.
    »Bestimmt?«
    »Selbstverständlich«, sagte ich. Die Gänsehaut verschwand. Es entstand eine kleine Pause.
    »Toll«, sagte er dann mit der gleichen belegten Stimme wie auf dem Schulhof. »Eh... findest du Märklin oder Fleischmann besser?«
    Henry, mein Bruder, war ein langer Lulatsch, das sagten alle.
    Er war offensichtlich auch hübsch, das behaupteten jedenfalls die Frauen. Ich selbst hatte damals keinen Blick für das Aussehen von Männern, aber ich sah schon, dass er Ricky Nelson ein wenig ähnelte, und ich ging davon aus, dass das ein ganz gutes Vorbild war.
    Oder Rick, wie er sich genau seit diesem Jahr zu nennen pflegte.
    Er rauchte auch Lucky Strike, Henry, meine ich. Er zog sie immer so theatralisch aus der Brusttasche seines weißen Nylonhemds, als wolle er sagen, dass er nun verdammt hart gearbeitet hatte und es an der Zeit war, sich eine Zigarettenpause zu gönnen.
    In dem Jahr, in dem meine Mutter im Sterben lag, hatte er sich sein erstes Auto gekauft, das erste in unserer Familie überhaupt. Ein schwarzer VW-Käfer, mit dem er für seine Reportagen in der Stadt herumfuhr. Er hatte sich auch eine Kamera besorgt, damit er Fotos von seinen Unglücksfällen und seinen Interviewopfern machen konnte, und ich hatte den Eindruck, dass er sich als Freelancer ganz gut durchschlug.
    Unser Vater pflegte das immer zu sagen. »Er schlägt sich ganz gut durch, der Henry.«
    Ich wusste nicht so recht, was der Begriff Freelance eigentlich zu bedeuten hatte. Henry schrieb doch offensichtlich nur für den Kurren, aber dieses magische Wort hing irgendwie mit allen anderen zusammen. Lucky Strike. Beat. Freelance. Den VW-Käfer hatte er Killer getauft.
    »Du, Erik«, sagte er eines Sonntagvormittags.
    »Ja, Henry?«, erwiderte ich.
    Er hatte gerade den Killer in der Idrottsgatan geparkt. Wir saßen in der Küche, er hatte sich eine Lucky angesteckt und schlürfte einen lauwarmen Kaffeerest, den Vater zurückgelassen hatte, als er den Bus zum Krankenhaus genommen hatte.
    »Wir werden den Sommer zusammen verbringen.«
    »Papa hat's mir gesagt.«
    Er nahm einen Zug.
    »Das ist bestimmt am besten für dich.«
    Ich nickte und schaute aus dem Fenster. Die Sonne schien kräftig. Es war so ein Tag, an dem man im Möckelnsee hätte baden können.
    »Ist ja ziemlich anstrengend, das mit Muttern«, sagte Henry.
    »Ja«, sagte ich.
    Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und schaute in die Sonne hinaus.
    »Schönes Wetter.«
    Ich nickte.
    »Könnte mir vorstellen, mal hinzufahren und nachzugucken, wie's da aussieht. In Genezareth, meine ich.«
    »Ja, klar«, sagte ich. »Hast du Lust?«
    »Passt schon«, erklärte ich.
    ***
    Henry und ich räumten an diesem Sonntag ein wenig in Genezareth auf.
    Wir räumten und bereiteten das Haus für den Sommer vor. Schleppten alle Matratzen, Kissen und Decken auf den Rasen
    hinaus, damit der Sonnenschein die Winterfeuchtigkeit aufsaugen konnte.

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