Kind des Glücks
Willen Eingang in mein Joni suchte.
»Probleme, Bürschchen?« fragte ich ihn so leichthin wie möglich.
»Ah… oh… um ehrlich zu sein, ich hab’ übertrieben!« stammelte er. »Zweifellos wirst du entsetzt sein, wenn du hörst, daß ich in den tantrischen Künsten nicht ganz so erfahren bin, wie ich vorgegeben habe…«
Ich lachte und zog ihn an mich und rollte mich auf ihn. »In diesem Augenblick könnte keine andere Erklärung meine Leidenschaft stärker entfachen, Liebster«, sagte ich und übernahm die Führung bei unserer tantrischen Figur, nahm die Dinge fest in die Hand, bis sie noch fester wurden, und gab ihm in dieser Kunst eine Serie von Lektionen, die er hoffentlich nie wieder vergessen würde.
Doch obwohl ich ihm die Bandbreite möglicher tantrischer Figuren detailliert und ausführlich zeigte, vermied ich die Anwendung meines Fühlers, denn einerseits hatte ich keine Lust, ihn zurückzulassen, damit er sich mit der Erinnerung an einen unmöglichen Augenblick der Ekstase plagte, den er nie wieder mit einer anderen Frau erleben konnte, und andererseits wäre ich gemein gewesen, so männlich zugegebene Unschuld mit geheimen elektronischen Kräften zu meistern.
Wirklich, als wir uns dort in den Armen lagen, nachdem er schließlich genug Lehren verstanden hatte, um mich mit seiner phallischen Standhaftigkeit in einem einzigen, die Seele befriedigenden Höhepunkt zu überwinden – in diesem Augenblick beschloß ich, den Fühler für den Handel meines Vaters freizugeben. Sollte er doch genutzt werden, um Fehlfunktionen zu heilen oder verbrauchte Energien der erotisch Müden zu sammeln – für sie wäre er eine wertvolle Gabe. Doch ich würde nie wieder so unnatürliche Maschinen in die offenherzige Intimität mit einem Mann einbringen.
Nach einer Weile zogen wir uns wieder an und standen einen letzten Augenblick beieinander und blickten zu den nahen Lichtern des Lagers und den ferneren der Stadt und den Lichtern im Himmel über dem Meer, die noch ferner und dennoch heller waren.
»Vielleicht werden sich unsere Wege dort draußen noch einmal kreuzen«, sagte Kim. Er lachte fröhlich. »Und wenn nicht, dann sei versichert, daß ich mich immer an diese Nacht mit dir erinnern werde.«
»Und das solltest du auch, mein kleiner Gypsy Joker!« erklärte ich. Wir lachten zusammen, und damit trennten wir uns; denn es gibt keinen schöneren Abschied zwischen Liebenden als diesen.
Ich sah Kim nach, der den Hügel zum Camp der Gypsy Joker hinunterging, seinem wahren Wanderjahr auf der Zauberstraße entgegen, auf der ich vor einem Lebensalter als Kind des Glücks den ersten Schritt getan hatte – bis er völlig aus meinem Blickfeld verschwunden war und mit dem Karneval verschmolz, in den sein erwachender Geist gehörte.
Dann begann ich die andere Seite des Berges hinunterzusteigen, der Stadt und meinem zukünftigen Leben in den Menschenwelten entgegen. Mein Schritt federte, und in meinem Herzen war kein Bedauern.
Denn in diesem Augenblick entschloß ich mich, den Namen Wendi Shasta Leonardo anzunehmen, zu Ehren meiner Freundin und Mentorin und dem Bild meiner neuen Version der Heldin des alten Mythos entsprechend, doch ebenso zu Ehren eben dieses zukünftigen Selbst, das nun, ein halbes Lebensalter später, zurückblickt zu ihrem goldenen Sommer als Kind des Glücks und im Geiste desselben diese allerletzten Worte ihrer Geschichte festhält.
ENDE
Über Norman Spinrad
Der am 15. September 1940 in New York geborene Norman Spinrad, den manche heute als das ›enfant terrible‹ der amerikanischen Science Fiction bezeichnen, begann, in New York aufgewachsen, wo er auch die Schule und später die Universität besuchte, 1963 SF zu veröffentlichen und betätigte sich zwischendurch auch als literarischer Agent und Drehbuchautor fürs Fernsehen, ohne allerdings mit seiner ersten veröffentlichten Story, ›The Last Of Romany‹ (1963) besonderes Aufsehen zu erregen. Auch mit seinen ersten beiden Romanen änderte sich daran nichts: The Solarians (1966) und Agent Of Chaos (1967) gehören der Gattung Space Opera an, und nicht unbedingt zu den besten Werken dieses Sub-Genres. Eine Wende in Spinrads Schaffen kündigt sich aber schon mit dem noch im selben Jahr veröffentlichten Roman. The Men In The Jungle [Die Bruderschaft des Schmerzes] an, in dem der Protagonist, Diktator des Asteroidengürtels, der von den vereinten Erdmächten angegriffen und besiegt wird, aus dem Sonnensystem flieht und sofort
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