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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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aus Energie konstruiert. Einige Wände waren einfach weite, rot oder blau oder hellgelb glühende Flächen, andere waren mit komplizierten Mustern bedeckt, mit Schlangen, Flüssen aus vielfarbigem Licht. Einige zeigten Landschaften oder Städte und sogar Menschen, die in stark stilisierten Moden mit Lichterpaletten zurechtgemacht waren. Einige dieser Muster und Bilder standen still, andere entwickelten sich langsam mit der Zeit, und wieder andere liefen in Echtzeit ab wie ein Holocine. Kein Gebäude schien entworfen, um harmonisch zu einem anderen zu passen, und selbst die Wand eines einzigen Gebäudes konnte Lichteffekte in drei oder vier Stilrichtungen zeigen.
    Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein blendendes Spektakel, denn das Auge mußte sich anstrengen, um dieses chaotische Strahlen in eine zusammenhängende Struktur zu verwandeln; viel eher kam es mir vor, als sei ich von gewaltigen, gezackten Lichtvorhängen umgeben, die aus Flicken vielfarbiger Energie zusammengesetzt waren, nicht unähnlich dem Vielfarbigen Tuch, das ich als Schärpe um die Hüfte trug.
    Der Luzplatz selbst bestand vornehmlich aus einer weiten, kreisförmigen Freifläche, auf der ein halbes Dutzend Straßen zusammenliefen. Der Außenring war von Boutiquen, Tavernen, Restaurants und Hoteleingängen gesäumt, die allesamt in demselben aufgewühlten Durcheinander von Stilen beleuchtet waren. Im Zentrum dieses kreisrunden, dicht bevölkerten Platzes stand als pièce de résistance eine Miniaturlandschaft, die zur ausgefallenen Umgebung paßte, deren Nabe sie bildete.
    Ein Wallgraben aus schäumendem Wasser umgab eine dicht bewaldete Insel, die sich zu einem vielleicht siebzig Meter hohen Gipfel erhob. Der Maßstab stimmte perfekt – winzige Brecher leckten an einem kaum meterbreiten weißen Sandstrand, fingerlange Miniaturbäume, kaum sichtbare Sturzbäche ergossen sich in kleine Canyons – und doch wurde das Ganze von den schamlosen, künstlichen Menschenwerken überragt.
    Doch der Effekt der Bonsai-Insel wurde durch diese Verkehrung des Maßstabes zwischen Stadt und Natur keinesfalls gebrochen, denn der Zentralgipfel war ein mächtiger Miniaturvulkan, der ständig im Ausbruch begriffen war. Glutflüssige Lava strömte seine Flanken herunter und sandte zischende Dampfwolken in die Luft, wo immer sie das Wasser des Grabens berührte. Der Krater glühte wie ein Kessel voller Sternenmaterie, und in regelmäßigen Abständen knallten Salven stählender Geschosse hoch in die Luft hinaus. Darüber erhob sich eine brodelnde Rauchsäule, die sich jenseits der Hausdächer im dunklen, sternübersäten Himmel verlor; sie glühte in tiefem, bösen Orange, dem Licht des Magmas, das darunter kochte.
    Nachdem sich meine Sinne halbwegs an dieses ewige Licht und Feuer gewöhnt hatten, sah ich, in der Ferne stark verkleinert und deshalb zum vulkanischen Spektakel auf dem Luzplatz passend, ein weiteres Schauspiel.
    Die ganze Nachbarschaft lag unter ständig klarem, nächtlich schwarzem Sternenhimmel, vor dem dies irre Chaos aggressiver künstlicher Beleuchtung umso besser zu sehen war, und die umgebende Geographie war deshalb in Dunkelheit gehüllt. Die einzige Ausnahme war ein maßstabgerechter, schneebedeckter Berggipfel, der in weiter Ferne in seinem eigenen Mittagslicht strahlte. Das Auge konnte sofort sehen, daß er weit entfernt und gewaltig war und keine benachbarte Miniatur, denn auf seinem etwas abgeflachten Gipfel starteten und landeten Suborbital-Shuttles mit winzigen Feuerstrahlen, und ebenso starteten und landeten die weniger prächtigen Orbitalshuttles, die die Sprungschiffe im Orbit bedienten.
    Der zahme Bonsai-Vulkan, die strahlend beleuchteten Gebäude, die sich über ihm erhoben, das perspektivisch verkleinerte Tor zu den Sternen, all dies schien entworfen, um eine kaum faßbare philosophische Aussage zu machen, deren innere Ästhetik leider allen außer den Edojin völlig unklar bleiben mußte.
    Nicht nötig zu betonen, daß ich plötzlich wieder die Landpomeranze in Xanadu war, ein gewöhnliches Kind des Glücks unter vielen, abermals eine Fremde im großen, unergründlichen Edoku.
     
    In der unmittelbaren Umgebung des Luzplatzes gab es mehrere Anstalten, und trotz des ersten Eindrucks reichte ein kurzer Gang in jede Richtung aus, um mich zu einem von mehreren, verschiedenartig gestalteten Parks oder Gärten zu bringen, in denen ich schlafen konnte. In diesem Bezirk waren, wie in jedem anderen auf Edoku, meine rein animalischen

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