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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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überwinden, mich zum Erwerb viel kleinerer Summen an die Edojin zu wenden!
    In Wirklichkeit glaube ich heute, daß wir alle mit unseren Selbsturteilen etwas zu hart waren, und je länger wir in unserem trostlosen Lager herumhingen, desto schlimmer wurde es, denn wenn wir es damals auch noch nicht ganz erfaßten: Die wirkliche Lektion, die uns gelehrt wurde, war nicht die Tatsache, daß wir begriffsstutzige Faulpelze waren, sondern daß uns das Leben eines Kindes des Glücks einfach noch sehr neu war. Wir hatten nichts gekannt außer der vollkommenen Verwirrung eines Trottels in einem fremden Land, und dann den ersten goldenen Sommers unseres Lebens auf der Zauberstraße, was wir nun lernten, war letzten Endes nichts Schlimmeres als die uns aufgezwungene Erkenntnis, daß auch der schönste goldene Sommer irgendwann enden muß.
    Ich begriff dieses Satori in der Nacht, als die Geschichtenerzähler das Lager verließen. Ich sage, daß wir mit unseren Selbsturteilen allzu hart waren, und in Wahrheit meine ich damit, daß ich mich selbst vielleicht zu sehr für meinen Mangel an Mut schalt, mit dem Erzählen zu beginnen, denn certainement brauchten in jenen Tagen selbst die besten und erfahrensten Geschichtenerzähler viel Chuzpe, um ihre Geschichten bei den Edojin loszuwerden. Immer mehr gaben es auf und versuchten es gar nicht mehr.
    Denn wenn unser Handwerk in ihren Augen kein wu wei mehr hatte, wenn unsere Schauspieler sie nicht mehr verzauberten, wenn sie jetzt sogar unsere tantrischen Dienste für geistlos hielten, um wieviel weniger wären sie dann geneigt, uns ihre Zeit oder gar ihr Ruegelt zu schenken, um Geschichten zu lauschen, die von einem Mythos sprachen, der in Mode gekommen und wieder vergangen war?
    Als Vertraute vieler Geschichtenerzähler und als eifrige Bewunderin und Nachahmerin ihrer Kunst bekannt, wurde ich zur Zusammenkunft eingeladen, die schließlich in einem der jetzt leeren Zelte stattfand – oder zumindest wurde nichts gegen meine Gegenwart eingewendet, als ich Wind davon bekam.
    Es war sofort offensichtlich, daß die meisten Teilnehmer des Treffens schon vorher beschlossen hatten, das Lager zu verlassen und sich in alle Winde zu zerstreuen, solange sie noch eine oder zwei Münzen für den Rapid besaßen. Die Köche waren nicht die letzten gewesen, die sich verabschiedet hatten. Einer nach dem anderen waren die Handwerker, Tantrakünstler und Straßenschauspieler fortgeschlichen, um ihr Glück in einem anderen Teil Edokus zu versuchen, wo jeder Gypsy Joker ein legendäres Wesen war. So war, als die Geschichtenerzähler ihr Treffen abhielten, der Stamm schon auf die Hälfte geschrumpft, und von diesen waren die meisten – genau wie ich – Kinder des Glücks mit zu unbedeutenden Fähigkeiten, um zu glauben, ihre Aussichten könnten woanders besser sein.
    Einer nach dem anderen erhoben sich die Geschichtenerzähler und verkündeten ihre Absicht, woanders ihr Glück zu machen. Nach kaum einer halben Stunde wurde dieses Ritual zu monoton und sinnlos, um es weiterzuführen, und das Treffen verwandelte sich in eine Abschiedsparty voller berauschter Gespräche.
    Ich sagte Shane und Lance und anderen verflossenen Liebhabern benommen Lebewohl; doch war die Benommenheit erhöht und verstärkt von etwas mehr als nur dieser Droge des Abschieds. Denn ich verabschiedete mich von mehr als Freunden, Geliebten und Künstlern, deren Geschichten ich bewunderte; ob es mir gefiel oder nicht, verabschiedete ich mich auch von der Vorstellung, das Leben fortzusetzen, das meinen Geist in diesem goldenen Sommer so tief befriedigt hatte.
    Pater war fort und mit ihm der Zauber dieser Zeit; ich war nicht mehr fähig, als tantrische Künstlerin Ruegelt zu verdienen; und jetzt, da auch die Geschichtenerzähler fort waren, konnte ich nicht mehr länger im Zustand des Lernens und Sammelns von Geschichten leben, den ich so liebgewonnen hatte, indem ich ihre Gesellschaft suchte.
    Doch seltsam zu sagen, als der Abend fortschritt, fühlte ich mich trotz des Verlustes immer weniger verlassen, sondern immer mehr von einer eigenartigen Begeisterung erfüllt, deren Quelle unter diesen Umständen unmöglich zu finden war.
    Bis schließlich nach einigen Stunden bunten Feierns Shane Kol Barka von der Atmosphäre und den Rauschgiften so aufgestachelt wurde, daß er als Lebewohl eine neue, völlig verdrehte Version vom Funken der Arkies zum besten gab, deren Zeitgefüge er für diesen Anlaß veränderte.
    »Wie ihr alle wißt, wirbelte,

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