Kind des Glücks
Bedürfnisse kein Problem.
Und hätte ich es gewünscht, dann hätte ich in den Anstalten am Luzplatz auch weniger grundlegende Bedürfnisse befriedigen können, denn während meiner kurzen Streifzüge erfuhr ich rasch, daß es in dieser Gegend nur wenige organisierte Stämme gab, die sich hauptsächlich als Taschendiebe und Bettler betätigten, während der Zauber der Gypsy Joker alles andere als unbekannt war. Ich brauchte nur mein Vielfarbiges Tuch zu tragen, um in diesen Kreisen sofort als Aristokratin angeredet zu werden, wenn auch als eine entthronte. Andererseits hätte ich mit dem Wissen, das ich im Vergleich zu diesen Neulingen in den verschiedenen Straßengeschäften erworben hatte, meine Stammeszugehörigkeit verbergen und zweifellos im Handumdrehen meinen eigenen kleinen Stamm mit mir selbst als Domo aufbauen können.
Dennoch tat ich keins von beiden. Jung war ich vielleicht, doch nicht unerfahren genug, um ernsthaft eine Rückkehr in die Anstalten zu erwägen, in die ich als zimperliche kleine Königin eingezogen war. Getrennt von den Gypsy Jokern, wie ich es jetzt war, durchdrang mich ihr Geist trotzdem immer noch so tief, daß ich unmöglich zugleich das Vielfarbige Tuch tragen und in Anstalten die eklige Seifennahrung essen konnte.
Deshalb wählte ich eine Zeitlang das Leben einer Einzelgängerin, wagte mich unerkannt in die Anstalten, wenn es unumgänglich war, mied jedoch meist das soziale Leben, an dem man teilnehmen konnte, indem man sich dort herumtrieb. Denn ich hatte mir einen Eid geschworen, daß ich als Geschichtenerzählerin weiter auf der Zauberstraße voranschreiten würde und niemals zurück in die Gesellschaft, aus der ich mich entwickelt hatte; und wirklich, tief in mir wußte ich, daß ich, indem ich allein blieb, meinen Mut zusammennehmen und meinen Auftritt wagen mußte, und sei es auch nur, um der Langeweile zu entkommen.
Die ersten paar Tage verbrachte ich in der Nähe des Luzplatzes, streifte am Vulkan umher, nahm die Atmosphäre dieser Gegend in mich auf, machte mich mit den Gezeiten des Straßenverkehrs vertraut, schätzte die Menschenmengen ab und so weiter; jedenfalls redete ich es mir ein. In Wirklichkeit erreichte ich natürlich nichts außer einem Aufschub, denn der Luzplatz war zu allen Zeiten bevölkert, die Gezeiten des Gedränges wirkten eher wie zufällige Brownsche Molekularbewegungen, und was die Atmosphäre anging – es war genau die Mischung aus zielstrebigem Handel und hedonischer Extravaganz, die man an jedem ähnlichen Ort auf Edoku finden konnte, wenn auch durch die lohenden Lichterschauen und die beständigen Eruptionen des Bonsai-Vulkans zu hohem Tempo angestachelt.
Schließlich wurde diese feige Selbsttäuschung nur zu offensichtlich und drang bis in die oberflächlichsten Ebenen meiner Selbstwahrnehmung vor, und ich konnte nichts weiter tun, als zum Kern meiner Furcht vorzudringen.
Der Wallgraben war rundherum von Steinbänken umgeben, und nachdem ich jeden weiteren Gedanken aus meinem Bewußtsein verbannt hatte, nahm ich den Rucksack ab, breitete die Arme weit aus, wie ich es bei vielen Geschichtenerzählern gesehen hatte, und verkündete so laut ich konnte den Titel meiner Erzählung, wenn auch mit nicht ganz sicheren Stimme: »Die – die Geschichte vom Funken der Arkies!«
Ich konnte zwar sehen, daß ich für den Augenblick die Aufmerksamkeit der Passanten in der unmittelbaren Nähe gefangen hatte, indem ich mich einfach deutlich sichtbar aufbaute und ihre Trommelfelle bearbeitete, doch derselbe Effekt hätte sich ergeben, wenn ich eine Explosion gezündet hätte, was heißen soll, daß sie die Köpfe zur Geräuschquelle herumdrehten, doch sobald sie die Quelle erkannt hatten, gingen sie weiter ihren ursprünglichen Geschäften und Vergnügungen nach.
Keineswegs eingeschüchtert, sondern wirklich hingebungsvoll konzentrierte ich mich auf die Lichtarabesken, die über die Wand eines benachbarten Gebäudes liefen, um mich vor der Wahrnehmung der Größe meines Publikums – oder der völligen Abwesenheit eines solchen – zu schützen, und stürzte mich in meine eigene, schillernde Version der Geschichte, die Shane Kol Barka auf der Abschiedsfeier der Geschichtenerzähler vorgetragen hatte; er hatte sie spontan und in einem ungehobelten Stil, doch mit soviel Kraft erzählt – zumindest hatte ich es so empfunden –, daß ich das Gefühl hatte, ich könnte sie mit einigen Verbesserungen an den Mann bringen.
»Glaubt nicht, die Zweite Ära der
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