[kinder] Allein unter Superhelden
Richtungen davonspringen. Er rudert mit den Armen, kriegt die Lampe zu fassen und reißt sie um.
Er rappelt sich auf und tätschelt den Lampenschirm, als glaube er immer noch, das Ding wäre mein Kopf.
Suchend dreht Paul sich in meine Richtung. »Mensch, Leon, seit wann sitzt du da drüben? Ich hab mich total erschrocken.« Er kichert. »Hat sich echt angehört, als hättest du von einer Privatschule gefaselt, in die deine Alten dich abschieben wollen.«
»Stimmt«, sage ich. »Weil irgend so ein Hirni sich einbildet, dass alle Superheldenkinder auf seine Schule gehen sollen. Damit sie was Ordentliches lernen. Voll bescheuert, was?«
Paul sagt nichts.
Steht einfach da.
Wenn er sich eine Glühbirne in den Mund stecken und sie zum Leuchten bringen würde, könnte er der Lampe neben sich den Job streitig machen.
Hallo, Paul? Tut sich heute noch was?
Ich rutsche vom Bett und schleiche zu ihm rüber.
Ich winke vor seinem Gesicht herum.
»Alles in Ordnung, Paul?«
»ALLES IN ORDNUNG?!?!« Seine Stimme überschlägt sich. Er packt mich an den Armen. »Deine Eltern schicken dich auf eine andere Schule und du fragst, OB ALLES IN ORDNUNG IST?!?! Kapierst du das nicht? Wenn wir nicht auf einer Schule bleiben, dann ... dann ...« Paul stiert wieder Löcher in die Luft. Sein Mund ist offen. Besonders clever sieht das nicht aus. Aber Paul scheint nicht in der Verfassung für Kritik zu sein. Die Nachricht hat ihn echt mitgenommen.
Ich führe ihn zum Bett und setze mich neben ihn.
Paul gibt gurgelnde Geräusche von sich. So was hat er schon mal gemacht. Er hatte zu viele Nüsse gegessen oder eine Biene hatte ihn gestochen oder vielleicht hatte er auch die Biene statt der Nüsse verschluckt, auf jeden Fall war er allergisch und hat kaum noch Luft bekommen.
Ich würde auch gerne einen allergischen Schock wegen der neuen Schule haben. Dann könnte ein Arzt mir ein Attest ausstellen: Wegen gesundheitlicher Gefährdung ist es Leon untersagt, auf eine andere Schule zu gehen als Paul.
Wenn nicht einmal Paul weiterweiß, sieht es übel aus.
Ich zähle die Kissen auf meinem Bett und überlege, ob die Höhle groß genug für uns beide wäre. Wenn wir keine bessere Idee haben, sollten wir zumindest das versuchen.
Kampflos aufgeben gilt nicht.
Pauls Plan
Unter mir glitzern Lavaspitzen in der Sonne, weil Mama die flüssigen Steine zu schnell abgekühlt hat und sie in eine Milliarde Splitter zersprungen sind. Ein Fakir hätte seine helle Freude, barfuß durch unseren Garten hüpfen zu dürfen.
Ich schaue lieber nach oben.
Aber auch das beruhigt mich nicht wirklich.
Über mir spannt sich ein Seil von der Hauswand zu den Resten der Garage.
»Du bist sicher, dass das klappt?«, frage ich.
Paul streckt den Kopf aus dem Fenster und hält meinem Knie ein Blatt Papier hin. »Klaro. Ich habe mir letzte Woche doch nicht umsonst den Kopf zerbrochen.«
Ich rutsche zur Seite und werfe einen Blick auf Pauls Zeichnung. Ein Strichmännchen mit wehendem Cape saust über einen Garten, in dem es an allen Ecken und Enden blüht.
Paul malt gern wehende Capes. Dass ich keins angezogen habe, fällt ihm nicht auf. Auch dass sein Garten nicht wirklich dem Original entspricht, ist ihm entgangen.
»Jeden Moment ist deine Mum vom Einkaufen zurück. Du saust am unsichtbaren Draht über sie weg. Sie glaubt, dass du schon fliegen kannst und alles Supermäßige voll draufhast. Dann brauchst du gar nicht mehr in diese Schule, oder? Ihr pfeift auf die blöde Veranstaltung heute und wir bleiben weiter beste Freunde. Ich will mich nicht selbst loben, aber das ist genial.«
Ich taste nach Pauls unsichtbarem Draht. Meine Finger kommen kaum um das dicke Tau herum. Wahrscheinlich kann man es noch vom Mond aus sehen. Wie die chinesische Mauer.
»Hier.« Paul reicht etwas nach draußen. »Die Schwebevorrichtung.«
Die Schwebevorrichtung ist eine Tennissocke.
Gebraucht.
Aber Paul hat recht. Heute Nachmittag wollen Mama und Papa sich über die Schule informieren, deren Flyer sie im Chaos gefunden haben. Der Direktor möchte alle Superhelden der Stadt begrüßen. Wenn er Mama und Papa den Furz ins Hirn setzt, ich hätte Nachhilfe in Sachen Superkräfte nötig, sind Paul und ich geliefert.
Ich schwinge die Socke über das Seil und warte auf Pauls Kommando.
Paul schaut die Einfahrt hinab.
Wir warten.
Und warten.
Meine Hände bitzeln.
Richtig fies fühlt sich das an, und ich will sie gerade runternehmen und ausschütteln, als Paul ruft: »Deine Mutter
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