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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Er sah ein Dutzend vollausgewachsener Androiden, sechs männliche, sechs weibliche, schlaff auf dem Metallfußboden liegen. Ihre Unterkiefer hingen herab, ihre Augen waren leer, ihre Arme und Beine bewegten sich schwach. Sie erschienen hilflos, ausdruckslos, verwundbar. Lilith, dachte er, Lilith!
    Bompensiero flüsterte neben ihm: »In den beiden Jahren zwischen Start und Ablassen der Nährflüssigkeit erreicht der Android volle physische Reife – ein Vorgang, zu dem Menschen dreizehn bis fünfzehn Jahre brauchen. Dies ist eine weitere von Ihrem Vater eingeführte genetische Modifikation im Interesse der Wirtschaft. Wir produzieren keine Androidenkinder, sondern nur Erwachsene, die voll einsatzfähig sind und niemandem zur Last fallen.«
    Manuel sagte: »Habe ich nicht irgendwo gehört, daß wir einen Stamm von Androidenbabys züchten, die als Ersatz aufgezogen werden, um menschlichen Frauen, die selbst nicht…«
    »Bitte«, zischte Bompensiero. »Kein Wort hierüber…« Er unterbrach sich selbst, als erinnere er sich, wer der Mann war, dem er einen Verweis erteilen wollte, und sagte in einem gemäßigteren Ton: »Ich weiß sehr wenig über das, was Sie da erwähnen. In dieser Fabrik haben wir keine Produktion dieser Art.«
    Gammas trugen die zwölf neugeborenen Androiden aus der Zuchtkammer zu Maschinen, die teils wie Rollstühle, teils wie Panzer aussahen. Die Männer waren hager und muskulös, die Frauen hochbrüstig und schlank. Doch die Diskrepanz zwischen ihren ausgewachsenen Körpern und dem infantilen Gesichtsausdruck eines Neugeborenen ließ sie erschreckend häßlich und abstoßend erscheinen. Vollkommen passiv ließen sie alles mit ihren nackten, feuchten Körpern geschehen. Einer nach dem anderen wurde in einen der metallischen Behälter eingeschlossen. Nur ihre ausdruckslosen Gesichter blieben sichtbar hinter transparenten Visieren.
    Bompensiero erklärte: »Sie können ihre Muskeln noch nicht gebrauchen. Sie können nicht stehen, nicht gehen, sich nicht bewegen. Diese Trainingsapparate werden ihre Muskelentwicklung stimulieren. Nach einem Aufenthalt von einem Monat in einem solchen Apparat ist ein Android vollkommen Herr seines Körpers. Gehen wir jetzt zu unserem Wagen zurück…«
    »Diese Androiden, die ich soeben gesehen habe«, sagte Manuel, »sind natürlich Gammas?«
    »Es sind Alphas.«
    Manuel war verblüfft. »Sie sahen so… so…«, er zögerte,»… so schwachsinnig aus.«
    »Sie sind Neugeborene«, antwortete Bompensiero. »Man kann von ihnen nicht verlangen, daß sie gleich fähig sind, Computer zu bedienen, wenn sie die Zuchtkammer verlassen.«
    Sie kehrten zu dem Wagen zurück.
    Lilith!
    Manuel sah Androiden früherer Serien, die zögernd ihre ersten Schritte machten, lachend stolperten und hinfielen, wieder aufstanden und es beim zweitenmal schon besser konnten. Er besuchte ein Klassenzimmer, in dem die Beherrschung des Stuhlganges das Unterrichtsthema war. Er beobachtete, wie schlafende Betas einer Persönlichkeitsprägung unterzogen wurden: jeder ungeformte Geist wurde seiner Bestimmung entsprechend programmiert. Die Erziehung eines Androiden, erklärte ihm Bompensiero, dauerte ein Jahr für einen Gamma, zwei für einen Beta, vier für einen Alpha. Das Maximum von der Empfängnis bis zum vollen Erwachsensein betrug also sechs Jahre. Er war sich zuvor nie der Schnelligkeit des Prozesses bewußt gewesen. Irgendwie ließen die neuen Erkenntnisse ihm die Androiden jetzt sehr viel weniger menschlich erscheinen. Der höfliche und gleichzeitig Autorität ausstrahlende Thor Watchman war etwa neun oder zehn Jahre, berechnete Manuel, und die liebliche Lilith Meson… wie alt war sie? Sieben? Acht?
    Manuel hatte plötzlich den dringenden Wunsch, diesem Ort zu entfliehen.
    »Wir haben eine Gruppe von Betas, die im Begriff sind, die Fabrik zu verlassen«, sagte Bompensiero. »Sie werden heute ihrer letzten Prüfung unterzogen: Tests in sprachlicher Genauigkeit, Koordination, motorischer Reaktion, automatischer Anpassung und mehreren anderen Fähigkeiten. Wenn Sie daran interessiert sind, der Inspektion auch selbst beizuwohnen und persönlich…«
    »Nein«, sagte Manuel. »Es war faszinierend. Doch ich habe schon zuviel von ihrer Zeit in Anspruch genommen, und ich habe anderswo eine Verabredung, also muß ich…«
    Bompensiero schien nicht betrübt darüber, ihn loszuwerden. »Wie Sie wünschen«, sagte er verbindlich. »Aber natürlich stehen wir zu Ihrer Verfügung, wann immer Sie uns

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