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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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näherte sich von dem nördlichen Teil des Baugeländes in wilden Sprüngen; neben ihm lief, sichtlich ruhiger, Thor Watchman. Kassandra Nucleus verlor zum erstenmal ihre Beherrschung. Erregt versuchte sie den Datenwürfel Krug in die Hand zu drücken. Krug starrte den Würfel an, als sei er eine Psychobombe. Sie rangen kurz miteinander. Zu seiner Überraschung hing die Androidenfrau plötzlich an seinem Hals, als wollte sie ihn umarmen, doch sie versuchte nur, ihm den Würfel zu geben. Er packte sie bei einer Schulter und schob sie von sich, hielt sie auf Armeslänge von sich entfernt. In diesem Augenblick zog Leon Spaulding eine kleine glänzende Luftdruckpistole aus der Tasche und schoß. Der Bolzen traf Kassandra Nucleus in die Brust, genau in die Mitte des AGP-Abzeichens. Die Alphafrau taumelte zurück und fiel zu Boden, ohne einen Laut von sich zu geben. Der Datenwürfel hüpfte über den gefrorenen Grund; stöhnend hob Siegfried Fileclerk ihn auf. Mit einem Wutschrei schlug Thor Watchman Spaulding die Waffe aus der Hand und streckte den Ektogenen mit einem einzigen Faustschlag zu Boden. Niccolò Vargas, der seit der Ankunft der beiden Alphas schweigend zugeschaut hatte, kniete neben Kassandra Nucleus nieder und untersuchte ihre Wunde.
    »Sie Vollidiot!« brüllte Krug Spaulding an, der sich mühsam auf die Knie erhob.
    Watchman beugte sich über den gestürzten Spaulding und schrie ihn an: »Sie hätten Krug töten können! Sie war nicht einen Meter von ihm entfernt, als Sie schossen! Sie Barbar! Sie Barbar!«
    »Sie ist tot«, sagte Vargas.
    Siegfried Fileclerk begann zu schluchzen. Ein Ring von Arbeitern, Betas und Gammas, bildete sich in sicherer Entfernung und starrte entsetzt auf die Szene. Krug fühlte die Welt um sich wanken.
    »Warum haben Sie geschossen?« fragte Spaulding.
    Zitternd antwortete Spaulding: »Sie waren in Gefahr… man sagte, da wären Mörder…«
    »Politische Agitatoren«, sagte Krug, ihn mit verächtlichem Blick messend. »Sie versuchten nur, mir Propagandamaterial für die Androidengleichheit aufzudrängen.«
    »Mir wurde gesagt…«, zerknirscht verbarg Spaulding sein Gesicht in seinen Händen.
    »Sie Idiot!«
    »Es war ein Irrtum, ein unglücklicher Zufall. Man berichtete uns…«, sagte Watchman kopfschüttelnd und schlug sich gegen die Stirn.
    »Genug«, unterbrach ihn Krug. »Ein Androide ist tot. Ich übernehme die Verantwortung. Sie sagte, sie gehöre der Labrador-Transmat-Gesellschaft. Spaulding, setzen Sie sich mit ihren Anwälten In Verbindung und… nein, Sie sind nicht in der Verfassung, irgend etwas zu tun. Watchman! Verständige unsere Rechtsabteilung, daß Labrador-Transmat Grund für eine Klage gegen uns hat, Zerstörung eines Androiden, daß wir uns schuldig bekennen und willens sind, die Sache zu bereinigen. Wir werden ihnen kostenlos eine Alphafrau liefern. Sage dem Anwalt, er soll tun, was getan werden muß. Dann laß jemand vom Stab eine Presseerklärung ausarbeiten. Bedauerlicher Zwischenfall, so etwas Ähnliches, keine politischen Untertöne, klar?«
    »Was soll ich mit der Leiche tun?« fragte Watchman. »Das übliche Verfahren?«
    »Die Leiche gehört der Labrador-Transmat«, erwiderte Krug. »Laß sie einfrieren, verwahre sie, solange das Verfahren läuft.« Zu Spaulding sagte er: »Stehen Sie auf! Ich werde in New York erwartet. Sie kommen mit mir!«
13
    Während er auf das Kontrollzentrum zuging, vollzog Watchman zweimal den Ritus des Ausbalancierens der Seele, bevor die Dumpfheit ihn zu verlassen begann. Der häßliche Ausgang seiner List betäubte ihn noch immer. Als er sein Büro erreichte, machte Watchman achtmal hintereinander das Zeichen des Krug-sei-gepriesen und rezitierte die Hälfte der Sequenz des genetischen Codes. Diese Andachtübungen beruhigten ihn. Er rief San Francisco an, das Büro von Fearon & Doheny, Krugs Anwälte für Haftpflichtsachen. Auf dem Schirm erschien Lou Fearon, der jüngere Bruder des Senators der Absterbe Partei, und Watchman erzählte ihm die Geschichte.
    »Warum hat Spaulding geschossen?« fragte Fearon.
    »Hysterie, Dummheit, Erregung.«
    »Krug hatte ihm nicht befohlen zu schießen?«
    »Keineswegs. Um einen Meter hätte der Bolzen Krug selbst getötet, und er war nicht in Gefahr.«
    »Zeugen?«
    »Niccolò Vargas, ich selbst, der andere AGP-Alpha, sowie verschiedene Betas und Gammas, die dabeistanden. Soll ich ihre Namen besorgen?«
    »Das hat keinen Zweck«, erwiderte der Anwalt. »Sie wissen, was die Aussage eines

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