Kinder der Stürme
das Meer war sehr unruhig. Die Überfahrt auf unserem kleinen Boot war sehr gefährlich. Als dieser alte Mann versuchte, uns wegzuschicken, habe ich die Geduld verloren.“
„Wenn du Evan noch einmal einen alten Mann nennst, verliere ich die Geduld“, sagte Maris kühl. „Warum seid ihr gekommen? Warum seid ihr nicht geflogen?“
„Auf Thrynel sind unsere Flügel in Sicherheit. Wir hielten es für das Beste, heimlich jemanden zu dir zu schicken, jemanden, den man auf Thayos nicht kennt. Da ich von Embers komme und neu bin unter den Fliegern, wurde ich ausgewählt. Meine Eltern waren Fischer, und so wurde ich auch aufgezogen.“
Er nahm die Mütze ab und schüttelte sein feines blondes Haar. „Können wir uns setzen?“ fragte er. „Wir müssen über wichtige Dinge sprechen.“
„Evan?“ fragte Maris.
„Setzt euch“, sagte Evan. „Ich koche uns einen Tee.“
„Ah.“ Arrilan lächelte. „Das ist sehr freundlich. Die See war kalt. Es tut mir leid, wenn ich unfreundlich war. Aber die Zeiten sind schwer.“
„Ja“, stimmte Evan zu. Er ging hinaus, um den Kessel mit Wasser zu füllen.
„Warum seid ihr gekommen?“ fragte Maris nachdem sich Arrilan und seine Begleiter gesetzt hatten. „Was ist los?“
„Man hat mich geschickt, um dich hier herauszuholen, denn du kannst wohl kaum ein Schiff von Port Thayos nehmen. Du darfst die Insel nicht verlassen. Wir haben ein kleines Fischerboot unweit von hier versteckt. Das wird sicher sein. Falls uns die Landwachen durchsuchen, sind wir nur ein paar einfache Fischer, die der Sturm nach Nordosten getrieben hat.
„Meine Flucht scheint sorgfältig geplant“, sagte Maris. „Ein Jammer, daß mich niemand vorher gefragt hat.“ Sie sah den verwirrt dreinblickenden Flieger an. „Wessen Idee ist das? Wer hat dich geschickt?“
„Val Einflügler.“
Maris lächelte. „Natürlich. Wer sonst? Aber warum möchte Val, daß ihr mich aus Thayos herausbringt?“
„Zu deiner Sicherheit“, sagte Arrilan. „Da du hier als hilflose Exfliegerin lebst, könnte dein Leben in Gefahr sein.“
„Der Landmann hat mich nicht bedroht“, sagte Maris. „Er hätte keinen Grund mich …“
Der junge Rieger schüttelte heftig den Kopf. „Nicht der Landmann. Die Leute. Weißt du denn nicht, was hier vorgeht?“
„Anscheinend nicht“, sagte Maris. „Vielleicht kannst du es mir verraten.“
„Die Nachricht von Tyas Gefangenschaft wurde überall in Windhaven verbreitet. Sie drang bis Artellia und den Embers. Viele Landgebundene haben angefangen, ihren Unmut gegenüber den Fliegern zu äußern. Selbst die Landmänner.“ Er errötete. „Die Landfrau des Gebrochenen Ringes ließ mich sofort vorladen, nachdem sie davon gehört hatte, und sie fragte mich, ob ich jemals gelogen oder eine Nachricht verändert hätte. Ich wurde gezwungen, ihr meine Loyalität zu schwören. Und selbst, nachdem sie mich befragt hatte, war es offensichtlich, daß sie mir nicht traute. Sie hat mir gedroht! Mit Gefängnis hat sie mir gedroht, als ob sie dazu das Recht hätte …“ Er schwieg. Es schien, als müßte er seinen Ärger erst einmal herunterschlucken.
„Selbstverständlich bin ich ein Einflügler“, faßte er zusammen. „Wir alle werden jetzt verdächtigt, aber am schlimmsten ist es für die Einflügler. S’wena von Deeth wurde von Rohlingen geschlagen, nachdem sie Tya in einer Kneipe verteidigt hatte. Andere wurden wüst beschimpft oder gemieden. In einigen Städten des Ostens hat man sie sogar angespuckt. Jem, der ein ausgesprochener Traditionalist ist, wurde gestern auf Thrane mit Steinen beworfen. Und Katinns Haus auf Lomarron hat man angezündet, während er unterwegs war.“
„Ich wußte nicht, daß es so schlimm steht“, sagte Maris.
„Ja“, sagte Arrilan, „und es wird noch schlimmer. Auf Thayos wütet das Fieber am ärgsten. Val befürchtet, daß der Mob bald auch zu dir kommt, deshalb hat man uns geschickt, um dich in Sicherheit zu bringen.“
Evan war zurückgekehrt und goß den Tee ein. „Vielleicht solltest du gehen“, sagte er mit ernster Stimme zu Maris. „Es wäre schrecklich, wenn dir etwas passieren würde. Wenn alles vorüber ist, kannst du zurückkommen, oder ich könnte zu dir kommen.“
Maris schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, daß ich mich in Gefahr befinde. Vielleicht, wenn ich in den Straßen von Port Thayos auf und ab marschieren würde und meine Besorgnis über Tyas Schicksal lauthals zum Ausdruck brächte. Aber hier in den Wäldern
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