Kinder der Stürme
mürrisch. „Ich kenne dich ja kaum, wie sollte ich wissen, wie du dich fühlst? Es tut mir leid. Ich glaube, auch Val bedauert das. Aber das nützt nichts. Diese Sache ist wichtiger als deine Gefühle. Alles hängt von dieser Versammlung ab, und Val möchte, daß du dort erscheinst.“
„Sag Val, daß es mir leid tut“, sagte Maris ruhig. „Sag ihm, ich wünsche ihm Glück, aber ich werde nicht kommen. Ich bin alt und müde und möchte allein sein.“
Arrilan stand auf. Seine Augen waren kalt wie Eis. „Ich habe Val versprochen, ihn nicht zu enttäuschen“, sagte er. „Wir sind vier gegen einen.“ Er machte eine Handbewegung, und die Frau auf seiner rechten Seite zog ein Messer heraus. Sie grinste, und Maris konnte erkennen, daß ihre Zähne aus Holz waren. Auch der Mann hinter ihr stand auf und hielt ein Messer in der Hand.
„Raus mit euch!“ sagte Evan. Er stand neben der Tür zu seinem Arbeitszimmer und hielt einen Bogen, den er für die Jagd benötigte, in der Hand. Ein Pfeil war eingelegt und fertig zum Schuß.
„Damit würdest du höchstens einen von uns treffen“, sagte die Frau mit den Holzzähnen. „Wenn du Glück hast. Aber dir bleibt nicht die Zeit für einen weiteren Pfeil, alter Mann.“
„Das ist wahr“, sagte Evan. „Aber die Spitze dieses Pfeiles ist mit einem Gift getränkt. Einer von euch würde sterben.“
„Steckt die Messer weg“, sagte Arrilan. „Bitte leg den Bogen weg. Niemand soll sterben.“ Er sah Maris an.
Sie sagte: „Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich zwingen den Vorsitz der Versammlung zu übernehmen?“ Sie klang sehr verärgert. „Du kannst Val ausrichten, falls seine Strategie so gut ist wie deine, sind die Einflügler am Ende.“
Arrilan sah seine Begleiter an. „Laßt uns allein“, sagte er. „Wartet draußen.“ Zögernd gingen die drei zur Tür. „Keine weiteren Drohungen“, sagte Arrilan. „Es tut mir leid, Maris. Vielleicht begreifst du jetzt, wie verzweifelt ich bin. Wir brauchen dich.“
„Vielleicht braucht ihr die Fliegerin, die ich einmal war, aber die ist bei dem Absturz gestorben. Laß mich allein. Ich bin nur eine alte Frau, die Assistentin eines Heilers und das ist alles, was ich sein will. Hör auf, mir weh zu tun, indem du mich in die Welt zurückziehst.“
Verachtung spiegelte sich in Arrilans Gesicht wider. „Wenn ich daran denke, daß sie einen Feigling wie dich besingen“, sagte er.
Nachdem er gegangen war, wandte sich Maris an Evan. Sie zitterte und ihr Kopf fühlte sich leer und verwirrt an.
Der Heiler legte seinen großen Bogen beiseite. Er zog eine Grimasse. „Tot?“ fragte er verbittert. „Du warst die ganze Zeit tot? Ich dachte du hättest gelernt wieder zu leben, aber die ganze Zeit war mein Bett nichts als ein Grab für dich.“
„O nein, Evan“, sagte sie enttäuscht. Sie wollte Ruhe und keine weiteren Angriffe.
„Das sind deine Worte“, sagte er. „Glaubst du immer noch, daß dein Leben mit dem Absturz endete?“ Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz und Wut. „Ich könnte keine Leiche heben.“
„Oh, Evan.“ Sie setzte sich, denn sie konnte sich nicht länger auf den Beinen halten. „Ich wollte nicht … ich wollte nur sagen, daß ich für die Flieger tot bin, oder sie für mich. Dieser Teil meines Lebens ist zu Ende.“
„So einfach ist das nicht“, sagte Evan. „Wenn du einen Teil deines Selbst tötest, riskierst du, daß alles stirbt. Es ist wie das, was dein Bruder, beziehungsweise was Barrion sagte, über das Ändern einer Note im Lied.“
„Ich weiß unser Zusammenleben zu schätzen, Evan“, sagte Maris. „Bitte, glaube mir. Nur dieser Arrilan und Vals verdammte Versammlung haben alles wieder aufgewühlt. Ich wurde an alles erinnert, was ich verloren habe. Es hat so weh getan.“
„Es hat dein Selbstmitleid geweckt“, sagte Evan.
Ärger stieg in ihr auf. Konnte er sie nicht verstehen? Konnte ein Landgebundener überhaupt verstehen was sie verloren hatte? „Ja“, sagte sie mit kalter Stimme, „ich habe mich bedauert. Ist das nicht mein gutes Recht?“
„Die Zeit des Selbstmitleides ist längst vorbei. Du mußt dich mit deiner jetzigen Situation abfinden, Maris.“
„Das werde ich. Das habe ich. Ich habe gelernt zu vergessen. Aber wenn man mich in diese Fliegerangelegenheit hineinzieht, wird alles zerstört. Es würde mich verrückt machen. Kannst du das nicht verstehen?“
„Ich sehe eine Frau, die alles verleugnet, was sie einmal war“, sagte Evan. Er wollte
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