Kinder des Donners
spricht die Stimme der Verzweiflung. Vielleicht ist et- was dran an den Gerüchten, daß die Zeitung vor dem Bank-
rott steht.
Mit der Hälfte seines Denkens war Peter mit der
Überlegung beschäftigt, wo er diesen speziellen Infor- mationsschnipsel am besten verschachern könnte; mit der anderen Hälfte gab er beschwichtigende Laute von sich und wiegte düster den Telefonhörer in der Hand. Der Comet war nicht der beste Absatzmarkt, doch er war eine ganz brauchbare Stütze, und ohne ihn ...
Aber jetzt hatte er einen Bärenhunger, und der Regen hatte nachgelassen. Zeit, sich um etwas zu essen zu kümmern.
Die dreizehnjährige Dymphna Clancy blieb vor dem Büro der Mutter Oberin stehen, wohin sie zu dieser un-
gewöhnlichen Stunde, die eigentlich die Zeit des Schla- fengehens war, bestellt worden war. Sie wünschte, es hätte einen Spiegel in der Nähe gegeben, doch es gab nur sehr wenige davon im Bereich der Klosterschule, da die Betrachtung des eigenen Antlitzes für die Wurzel der Sünde der Eitelkeit gehalten wurde. Aber wenig- stens gab es ein Fenster ohne Vorhang, in dem sie einen Blick auf sich erhaschen konnte. Soweit sie es beurteilen konnte, war ihre Uniform einigermaßen gepflegt und ihr dunkles Haar einigermaßen ordentlich. Falls sie sich
in der einen oder anderen Hinsicht ein Versäumnis zu- schulden hätte kommen lassen, müßte sie natürlich da-
mit rechnen, ermahnt zu werden, und zwar in nicht zu zimperlichen Worten.
Nicht, daß ihr das viel ausgemacht hätte — viel hätte anhaben können. Heute nicht mehr. Trotzdem, dieses
Auf-sich-zukommen-Sehen und dann Über-sich-
ergehen-Lassen dieser besonderen Art von Gardinen- predigten, die die Nonnen gern auf die Schülerinnen
niederprasseln ließen, erzeugten zumindest Unbehagen und trieben ihr den Schweiß in die Handflächen und be-
wirkten, daß ihr Herz wie ein Hammer klopfte, und all- zuoft waren sie in höchstem Maße erschöpfend. Dymphna hielt es für das beste, sich anzupassen, we- nigstens nach außen hin.
Sie wünschte, sie würde sich nicht so sehr davor
fürchten, daß eine der Schandtaten, die sie sich ange- wöhnt hatte, im verborgenen zu begehen, irgendwie ans Licht gekommen sein könnte. Doch wie sonst sollte sie sich erklären, daß sie noch zu so später Stunde zur
Audienz gerufen wurde?
Während sie sich innerlich für ein langatmiges und unerfreuliches göttliches Tribunal wappnete, klopfte sie an die Tür des Büros. Mutter Aloysia antwortete sofort. »Komm herein, Kind!«
Kind? Warum, um alles in der Welt, sagt sie so was?
Verwirrter denn je, wenn auch eine Spur weniger ängstlich, öffnete Dymphna die Tür.
Mutter Aloysia war nicht allein. Anwesend waren ebenfalls Schwester Ursula, die Nonne, deren Obhut
Dymphnas Altersgruppe unter den Schülerinnen anver- traut war, außerdem Vater Rogan, der Geistliche und Beichtvater der Schule, sowie ein Fremder in einem dunklen Anzug: ein rotgesichtiger Mann mit einem Walroßschnauzer, der einen schwarzen Homburg lin- kisch auf dem Knie balancierte.
In der Mitte stand ein unbesetzter Stuhl.
»Setz dich, Kind!« hörte Dymphna. Sie folgte und wunderte sich über den unvertrauten Ausdruck in Mut-
ter Aloysias Gesicht. Selten hatte es anders ausgesehen als starr, wie aus Stein gehauen, mit zusammengeknif- fenen Augen, eingezogenen Wangen, den Mund zu ei- nem schmalen Schlitz gespannt. Genausowenig hatte sie je den leisesten Anflug von Zärtlichkeit in ihrer krat- zigen, doch autoritären Stimme vernommen.
Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Dann ergriff die Mutter Oberin wieder das Wort.
»Ich muß dich bitten, stark zu sein, Dymphna. Wir ... nun, wir haben eine schlechte Nachricht für dich. Dies ist Mr. Corkran, einer der Partner der Anwaltskanzlei, die das Vermögen deines verstorbenen Vaters verwaltet. Er war so freundlich, sich persönlich hierherzubemü- hen, anstatt einfach nur anzurufen.«
Ich bin also nicht hier, damit sie mir das Fell über die Ohren ziehen.
Dymphna entspannte sich, wobei sie versuchte, sich ihre Reaktion nicht allzu deutlich anmerken zu lassen,
und sich bemühte, die Knie in züchtiger Weise zusam-
menzudrücken.
Sie konnte sich kaum an ihren Vater erinnern, und
man hatte ihr auch nicht viel direkt über ihn erzählt. Doch boshafter Klatsch machte die Runde an der Schu-
le, sowohl bei den Lehrschwestern als auch unter den Schülerinnen, und aus Andeutungen und Beleidigun- gen hatte sie sich die wesentliche Wahrheit über Bren- dan Clancy
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