Kinder des Donners
der Universitäten, ihr fin- sterer Finger auf den Schalthebeln jetzt nicht nur der Macht, auch der Forschung (was eines sein mag) tut ein übriges zum allgemeinen Klima der Ausweglosigkeit...
was nicht aufgekauft und damit unschädlich gemacht werden kann, wird von Fanatikern gesprengt; Zustän- de, die von denen, die sie herbeigeführt oder zumindest ermöglicht haben, mit Zähnen und Klauen verteidigt werden — im Namen der Freiheit & Demokratie etwa, wachsend wieder im Namen von Gott & Co., schlimm- stenfalls und ohne Rücksicht auf Verluste im Namen von Recht & Ordnung ganz allgemein: Prüfstein laut
Brunner ohnehin für den Wert jeder Gemeinschaft: mit welchen Mitteln sie R&O durchsetzt ... es ist eine sehr, sehr kranke Welt, in die Kinder heutzutage hin-
eingeboren werden, folgerichtig präsentieren sich daher ausgerechnet sie, landläufig immer noch Träger der Zu- kunftshoffnung, als deren ärgste, erklärte Bedrohung: Weder wollen sie in einem nuklearen Krieg verschmo- ren, noch vergiftet werden durch die Nahrungsmittel, die sie essen, durch das Wasser, das sie trinken, durch die Luft, die sie atmen ... also sind sie nicht nur schlecht von vornherein, sie lügen, betrügen und morden ... und sie kommen damit auch durch — entwickeln Drogen, bringen mißgünstige Nachbarn um, ziehen Prostitu- tionsringe auf, kassieren Schutzgelder ... und sind noch nicht einmal vierzehn ... gute, perfekte Schüler der Schule Welt, wie wir sie kennen:
Die durch Naturkatastrophen vernichtet wird, wie
wir sie kennen, und durch die Umtriebe eines neuen
Nazi-Gottes, wie wir sie kennen, die durch Rassismus
brennt, wie wir ihn kennen, und durch Nationalismen, wie sie uns nicht fremd, die ertrinkt in der Dummheit ir- rationalsten Fanatikertums und erstickt in Repressio- nen, einzige Zuflucht einer zunehmend hilflosen Obrig- keit, dem überforderten Zauberlehrling der Macht, der die Verbreitung der Wahrheit als >anti-patriotisch< ver- folgen muß, wie jeden mündigen Bürger, der nichts mehr gegen vergiftete Anbauflächen und damit Ernten, nichts gegen tödliches Wasser und tödliche Luft, nichts gegen eine Freie Marktwirtschaft unternehmen kann, die Profit über Leben stellt, Gesundheit ist uner- schwinglich ...
Nur natürlich kommen die >Kinder des Donners< mit ihren Aktionen durch ... Kinder liebt man eben, und warum sollte ausgerechnet gegen minderjährige, >straf- unmündige< Gesetzesbrecher vorgegangen werden, wenn sich die Menschheit doch willig von deren Vorbil- dern ins Verderben, in jedes vorstellbare Verderben!, re- gieren läßt? Das Pack sich sogar wieder und wieder frei- willig (na ja ...) wählt, die Ochsen gleichsam, die sich
immer wieder den Metzger zum König wählen? Wie ih- re Großen Vorbilder leisten sich selbstverständlich auch diese Kinder den Luxus eines Gewissens nicht.
Die Welten des John Kilian Brunner sind so erschrek- kend vertraut, die Welt der >Kinder des Donners< ist so verdammt nahe ... und man kann — so schade das ist — nicht einfach >nur< die literarische Leistung Brunners anerkennen, man muß sich auch fürchten, auf alles ge- faßt sein, bleiben.
Brunners geniale Appelle werden auch in Zukunft ins Leere gehen, ungehört verhallen, wie auch nicht:
>Mensch< könnte lernen, leider muß >Mensch< nicht, eine groß angelegte Verdummungsindustrie warnt im- mer noch und immer frecher vor den Flüchen des Wis-
sens, das Naschen vom Baum der Erkenntnis gilt Glück-
lichem Leben im Wege, richtig manipuliert dünkt sich der Bauch das Neue Gehirn zu sein, irrational heißt emotional und emotional das Zauberwort, sich der Mühsal des Denkens & Arbeitens zu entheben ... nur
kurz hatte der Wissenschaftsjournalist Peter Levin aus den >Kindern des Donners< in seinem Leben den Ein- druck, als könne die Vernunft siegen, als habe sie we-
nigstens eine Chance ... doch die Verhältnisse, die sind
nicht so ... Freiwillige selektive Blindheit ist einfacher als denken, nicht nur töten, auch sterben ist einfacher, als ums Überleben zu kämpfen, als zu leben, Heile- Welt-Gebimmel, Vertuschungs-Lüge und Beschwichti- gungs-Betrug werden so lange regieren, bis da nichts mehr ist.
Brunner wird recht gehabt haben, aber — helfen wird
dies keinem mehr.
Copyright ©1990 by Ernst Petz
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