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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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wirbelten. Hier war es einen Hauch wärmer als draußen auf freiem Feld, feucht, nach schlafenden Pflanzen duftend. Es raschelte schwach, ein Luftzug, eine geisterhafte Eule, das Trippeln winziger Füße. Einmal schrie weit weg eine Wildkatze, und der Laut verschmolz mit der Musik, die die vielen Blätter ringsum erzeugten.
    Ein gewisser Friede senkte sich auf Tauno herab. Hier war ein Überbleibsel seiner Welt, der wilden Welt, die völlig in sich abgeschlossen war, liebte, tötete, zeugte, litt, starb, geboren wurde, die phantastisch Zauber kannte, aber niemals versuchen würde, die Mysterien dahinter zu erforschen und zu zähmen oder sich einen Blick in die Ewigkeit selbst zu erzwingen. Hier waren Spuren des Feenreichs ..., der Geisterknochen sandte Namen in sein Bewußtsein, als habe er sie schon immer gekannt ... Leschi, Kikimora, auch eine gleitende Ruhelosigkeit, voll Scheu vor ihm und doch ...
    Aber was nahm seine Nase außerdem wahr? Nein, diese Empfindung erhielt er auf andere Weise, sie stieg aus seinem Blut auf, teils Furcht und teils unaussprechliches Verlangen. Seine Pulse jagten; er beschleunigte den Schritt.
    Der Pfad bog um ein Röhricht, und da begegneten sie sich.
    Für eine Zeit außerhalb der Zeit blieben beide stehen. Ein Mensch wäre hier so gut wie blind gewesen, doch sie sahen sich weiß vor den sie umgebenden vielschichtigen Schatten, als habe sich der andere aus dem Nebel erhoben, der ihnen um die Füße wallte. Sie war viel bleicher als er; es war, als ströme das flüchtige Mondlicht durch dünngeschabten Alabaster, doch wenn sie sich bewegte, war es, als kräusele sich Wasser. Sehr schön war sie in ihrer Nacktheit mit den schlanken, makellosen Linien von Taille, Hüften, Schenkeln, jungfräulichen Brüsten, mit ihrem zartgeschnittenen Gesicht und den riesigen, leuchtenden Augen. Ihr Haar bildete in der Luft schwebend eine Wolke um sie. Keine Farbe war an ihr außer den leisesten Andeutungen von Blau und Rosa, wie auf Schnee unter den Vorläufern der Morgenröte.
    »Oh«, hauchte sie. Entsetzen packte sie. »Oh, aber ich darf doch nicht!«
    Er wiederum erinnerte sich daran, was er heute und in früheren Zeiten von seinem Vater gehört hatte. Er rief: »Eine Rousalka!« Dabei riß er sein Messer aus der Scheide. Er wagte es nicht, ihr den Rücken zu kehren.
    Sie verschwand hinter dem Buschwerk. Er blieb angespannt, mit verzerrtem Gesicht stehen, bis er zu dem Schluß kam, sie sei fort, und die Klinge wieder einsteckte. Der Eindruck, den sie hinterlassen hatte, wehte überall in der Luft, so sanft, frisch, mädchenhaft, daß es einen um den Verstand bringen konnte. Aber er wußte wenig von solchen Wesen; ihre Spuren mochten eine Zeitlang verweilen ...
    Wirklich?
    Aber er konnte ja den Talisman fragen. Er brauchte sich nur zu entspannen, in hrvatskanischer Sprache an das zu denken, was er gesehen hatte, und das Wissen in sich einfließen zu lassen. Er lockerte Muskel für Muskel, bis er alles wußte und rufen konnte: »Vilja, bleib. Bitte.«
    Sie lugte um das Gebüsch. Tauno konnte kaum ein Auge, den Schimmer einer Wange, die Zartheit eines Ellenbogens erkennen. »Bist du ein Christ?« flötete sie schüchtern. »Es ist mir verboten, Christen in die Nähe zu kommen.«
    Also war sie keine Bedrohung; sie war nur schön. »Ich bin nicht einmal ein Sterblicher«, erklärte Tauno mit rasselndem Lachen.
    Sie stahl sich näher heran und blieb auf Armeslänge vor ihm stehen. »Irgendwie habe ich das gefühlt«, flüsterte sie. »Möchtest du dich wirklich mit mir unterhalten?« Sie wurde fröhlicher, sie trillerte: »Oh, wundervoll! Ich danke dir, ich danke dir.«
    »Wie ist dein Name?« Er mußte seinen Mut zusammennehmen, bevor er erklären konnte: »Ich heiße Tauno. Ich bin zur Hälfte ein Wassermann, zur Hälfte ein Mensch, gehöre aber ganz und gar dem Feenreich an.«
    »Und ich ...« Sie zögerte länger als er. »Ich glaube, ich bin ... ich war Nada. Ich nenne mich Nada.«
    Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie kam auf Zehenspitzen näher. Ihre Hände umschlossen einander. Nadas waren nachtkühl und irgendwie nicht ganz fest. Tauno fürchtete, wenn er richtig fest zugriffe, würden seine Finger sich begegnen. Deshalb hielt er seine Hand so locker, wie er nur konnte. Beide erbebten.
    »Was bist du?« fragte er, denn er wollte es von ihren eigenen Lippen hören.
    »Eine Vilja. Ein Ding aus Nebel und Wind und halb erinnerten Träumen – und so froh über deine Freundlichkeit,

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