Sherlock Holmes und die Theatermorde
VORWORT
Zu den interessantesten Folgen der Veröffentlichung von Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud gehört die Anzahl von Briefen, die ich – als Herausgeber – aus aller Welt erhalten habe. Wie ich zum Zeitpunkt seines Erscheinens voraussagte, ist das Manuskript Mittelpunkt einer hitzigen Kontroverse geworden, und Leser haben mir auf allen möglichen Sorten von Briefpapier und in unterschiedlicher Grammatik, Rechtschreibung und Interpunktion mitgeteilt, wie sie die Authentizität des Buches einschätzen. (Zu meinen Korrespondenten zählt unter anderen ein Oberschüler aus Juneau, Alaska, der mich eines Morgens – wohl in der Annahme, es sei in Los Angeles eine Stunde später , statt früher – in aller Herrgottsfrühe anrief, um mir zu verkünden, daß er mich für einen Schwindler halte.) Zu den eher bizarren Konsequenzen der Veröffentlichung gehört das Auftauchen einer Reihe anderer ›verlorengegangener‹ Watson-Manuskripte, nicht weniger als fünf an der Zahl, die mir sämtlich zur Beurteilung zugeschickt wurden. Die Absender der Manuskripte waren so mannigfaltig wie die erstaunlichen Inhalte: der Pilot einer Luftfahrtgesellschaft in Texarkana, Texas; ein in Argentinien lebender Diplomat; eine Witwe aus Racine, Wisconsin; ein in der Schweiz lebender Rabbi (sein Manuskript war auf italienisch verfaßt!) und ein pensionierter Herr unbestimmbaren Berufs in San Clemente, Kalifornien.
Alle diese Niederschriften waren lesenswert, und alle enthielten Hinweise auf ihre Herkunft, die ihr verspätetes Auftauchen und die Umstände ihrer Entstehung erklärten. Mindestens zwei von ihnen waren – wenn auch durchaus reizvoll – offensichtlich Fälschungen (eine davon eine getarnte Pornographie), eine dritte war eine dünn verschleierte, politische Abhandlung, eine weitere enthielt die Phantasien eines gestörten Geistes, den vierten Versuch, Holmes’ jüdische Abstammung nachzuweisen (diese stammte nicht von dem schweizerischen Rabbi), und eine …
Der Fall, der dem Leser hier vorliegt, entstammt dem Manuskript einer Frau C.K. Verner aus Racine, Wisconsin. Bevor es mir zuging, erhielt ich folgenden, über meinen Verleger in New York an mich gesandten Brief:
14. Dezember 1974
Lieber Herr Meyer:
Ich habe mit aufrichtigem Interesse das von Ihnen herausgegebene Manuskript ›Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud‹ gelesen. Mein verstorbener Mann Carl stammte von der Verner-Familie * ab, der, wie Sie wohl wissen werden, auch Sherlock Holmes angehörte.
Vielleicht würden Sie gerne einen Blick auf ein weiteres ›lange verloren geglaubtes‹ Manuskript Dr. Watsons werfen, nur daß dieses genaugenommen niemals verlorenging. Carl, mein Mann, hatte es von seinem Vater, dem es (wie er uns öfters erzählt hat) von Mr. Holmes persönlich vermacht worden war.
Es ist von Hand geschrieben und hier und da ein wenig schwierig zu entziffern, vor allem wegen des Wasserschadens, den es in den dreißiger Jahren erlitt, als Carls Vater nicht das Geld hatte, um das Speicherdach reparieren zu lassen.
Carls Vater, (Großpapa Verner, – er starb im Jahr ’46) hat das Manuskript nie einem Verleger gezeigt, da aus seinem Anfang hervorgeht, daß Mr. Holmes es nicht veröffentlicht haben wollte. Inzwischen ist aber eine Menge Wasser den Berg hinuntergelaufen, und alle diese Leute sind ohnehin nicht mehr am Leben.
Ich habe letzte Woche in der Zeitung gelesen, was man gerade alles über Gladstones Privatleben herausgefunden hat, und ich kann mir nicht denken, daß dieses Manuskript mehr Schaden anrichten wird.
Carl ist im Februar letzten Jahres von mir gegangen, und wie Sie wissen, ist die Wirtschaftslage nicht besonders. Ich werde möglicherweise die Farm verkaufen müssen und könnte etwas Bargeld gut gebrauchen. Wenn Sie die Papiere sehen wollen und sich dafür interessieren, dann kommen wir sicher zu einer Verständigung über das Geld. (Ich werde allerdings wohl dem Beispiel Ihres Onkels Henry folgen und das Original verkaufen! Ich glaube, ich habe im TIME-Magazin den Namen eines Typen in New Mexico gelesen, der so was sammelt, und von dem er einen ordentlichen Batzen dafür gekriegt hat.)
Mit den besten Empfehlungen Ihre
(Frau) Marjorie Verner
Dies war der erste von zahlreichen Briefen, die zwischen mir und Mrs. Verner ausgetauscht wurden. Sie konsultierte auf meinen Rat hin ihren Rechtsanwalt, und dieses Individuum stellte sich (auf meine Kosten) als Kenner seines Faches heraus. Schließlich und
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