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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Prolog
    â€¦ und ich atme weiter,
denn morgen geht die Sonne auf,
und wer weiß, was die Flut bringt…
    Tom Hanks in „Cast away”
    Â 
    Â 
    Â 
    Seit nunmehr vierzehn Jahren unterrichte ich als Grundschullehrerin. Man erlebt viel in so einer langen Zeit. Ich kann erzählen von unglücklichen Kindern, von verzweifelten Eltern, von resignierten Lehrern. Das werde ich. Aber nicht, um über dumme und faule Kinder zu klagen, die Schuld den Eltern zuzuschieben oder den Grund für die Bildungsmisere in der scheinbaren Inkompetenz der Lehrer zu suchen. Nein. Mir geht es darum, einen Einblick in das System zu geben, das in hohem und unverantwortlichem Maße Kinder zu Versagern und Verlierern macht. In diesem Schulsystem sind alle Opfer: Eltern, Lehrer und Schüler. Es baut auf falschen Grundlagen auf, hält sich an veralteten und von der Realität entfremdeten Strukturen aufrecht und zwingt alle Beteiligten durch immer mehr unüberlegte und nicht grundlegende Teilreformen unbarmherzig in Rollen, in die keiner je kommen wollte.
    Ich schildere dabei ausschließlich meine Erfahrungen und Eindrücke. Diese habe ich in vielen verschiedenen Schulen gewonnen. Nach meinem Studium bin ich zunächst heimatfern, nach der zweiten Ausbildungsphase dann wie sehr oft üblich an einer anderen Schule eingesetzt worden, habe mich danach wieder in meinen Heimatlandkreis zurückbeworben und war nach einem weiteren Turnus, wie es für jeden Lehrer obligatorisch ist, als Mobile Reserve, also als Krankenvertretung, für drei Jahre tätig. Hier hatte ich zahlreiche Einsätze in den verschiedensten Jahrgangsstufen und Schulen, bevor ich erneut eine Klassenführung übernahm. Bereits von Anfang an wurde ich trotz fehlender Ausbildung auch an Hauptschulen eingesetzt
und habe hier Erfahrungen bis zur zehnten Jahrgangsstufe sammeln können. Und auch wenn ich all meine Erfahrungen im bayerischen Schulsystem gewonnen habe — das mit Sicherheit in der Vielfalt der Schullandschaft eine besondere Rolle einnimmt —, bin ich überzeugt davon, dass in vielen anderen Bundesländern Ähnliches geschieht. Die Klagen der Eltern, Lehrer und Kinder hören sich einfach zu ähnlich an. Immer wieder geht es um den Druck, dem schon die Allerkleinsten ausgesetzt sind und der auch in höheren Klassen nicht aufhört, es geht um erbarmungslose Aussortierung ohne Rücksicht auf die individuellen Lebensumstände oder Alter und Konstitution eines Kindes. Es geht weniger und oft gar nicht darum, Kindern Anerkennung zu verschaffen und sie zu starken, selbstbewussten Persönlichkeiten heranreifen zu lassen.
    Um Schule zu verstehen, genügt es nicht, Theorien und Statistiken zurate zu ziehen und dann nach wunderbar klingenden Lösungen fernab der Realität zu suchen. Den Kindern helfen diese Theorien nicht. Sie und auch ihre Eltern und die Lehrer sind Menschen, die nicht nur „funktionieren“ wollen. Diese Menschen „sind“, sie leben, mit all ihrer ihnen eigenen Individualität. Will man gute Schule machen, führt nichts daran vorbei, sich die Individualität des Einzelnen zur obersten Prämisse zu machen. Es gäbe durchaus umsetzbare Möglichkeiten, Schule so zu gestalten, dass Kinder mit Freude und erfolgreich lernen, starke Beziehungen erfahren und in ihren individuellen Begabungen gefördert werden. Dafür ist meines Erachtens vor allen Dingen ein Umdenken nötig, das manch einem nicht leichtfallen wird. Wir müssen dafür einige Aspekte hinterfragen, die für uns jahrzehntelang selbstverständlich gewesen sein mögen, früher aber aufgrund anderer gesellschaftlicher Verhältnisse noch nicht zu so großem Schaden geführt haben wie heute. Grundlegende Defizite im Schulsystem machen unsere Kinder zunehmend krank, aggressiv und lethargisch. Wir sind es unseren Kindern schuldig, uns wenigstens einmal auf eine andere Sichtweise einzulassen. Es ist höchste Zeit.
    Meine Ausführungen erzählen aus der Praxis, so wie ich Schule erlebt habe, wobei die Theorie, die Vorgaben, irgendwelche
Bestimmungen oft gänzlich anders sind, als sie in der Schule gelebt und umgesetzt werden — und werden können. Theorie und Praxis sind eben doch zweierlei Paar Stiefel. Die Präambel des Lehrplans beispielsweise ist ganz wunderbar am Kind orientiert geschrieben, doch die dafür vorausgesetzten Zustände, so viel Freiraum und solch ein

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