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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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im Keller –
fast an derselben Stelle wie ihre Klassenkameradin zwei Schuljahre zuvor.
    »Die Eltern der Neuntklässlerin haben das zuletzt nicht mehr
ausgehalten: Vor Kurzem wurden sie tot am Grab ihres Kindes gefunden.
Selbstmord.«
    Annette und Rainer Pietsch schluckten, Stille senkte sich über sie,
auch Mertes sah stumm auf die Landschaft hinaus.
    »Gab es Gemeinsamkeiten?«, fragte Rainer Pietsch nach einiger Zeit.
    »Ein richtiges Muster haben wir nicht gefunden. Die Schüler waren
teils gut, teils eher schlecht in der Schule, manche waren sehr beliebt, andere
eher Außenseiter. Kein roter Faden.«
    »Hat sich jeweils vor den Todesfällen irgendetwas Dramatisches
ereignet? Hatten sie Ärger mit einem Lehrer oder Probleme mit den anderen
Kindern in der Klasse?«
    »Uns hat niemand etwas in der Art erzählt. Vor allem im Fall der
beiden toten Mädchen im Keller kam mir das komisch vor: Ich fand keinen Ansatz
dafür, warum sich die beiden hätten umbringen sollen.«
    »Aber sie haben sich umgebracht, oder glauben Sie etwas anderes?«
    Mertes zuckte mit den Schultern.
    »Ich hatte die Fälle damals nicht selbst auf dem Schreibtisch, eine
Soko ist erst nach Kais Tod zusammengestellt worden. Alles andere sah nach
Suizid oder Unfall aus – und wenn die Todesfälle nicht so gehäuft aufgetreten
wären …«
    Er ließ eine Pause. Es war ihm anzusehen, wie sehr ihm das alles
noch immer zusetzte.
    »Von den toten Kindern davor habe ich nur die Berichte gelesen und
habe natürlich mit den Kollegen gesprochen, die sie bearbeitet hatten. Wir
untersuchen ja routinemäßig jeden Todesfall, wenn er nach Unfall oder Selbstmord
aussieht – man weiß ja nie. In den Berichten stand jedenfalls nichts, was an
Unfällen oder Selbstmorden hätte zweifeln lassen.«
    Der Kommissar versank kurz in ein dumpfes Brüten.
    »Aber die Motive …«, fuhr er dann fort. »Mir wird einfach nicht
klar, warum diese Kinder sich umbringen wollten. Es muss doch einen
schwerwiegenden Grund geben, wenn man so früh schon sein Leben wegwirft.«
    »Wissen Sie denn, wer die Schüler unterrichtet hat?«, fragte Rainer
Pietsch.
    Mertes sah auf, dann runzelte er die Stirn.
    »Das stand nicht in den Berichten.« Er dachte nach. »Soweit es Kai
betraf, hatte er verschiedene Lehrer, eigentlich nicht viel anders als an einer
staatlichen Schule. Allerdings haben sie hier im Internat sogenannte Mentoren –
das ist so eine Art zweiter Klassenlehrer, der für das Kind das Große und Ganze
im Blick behält, der über mehrere Klassenstufen hinweg für das jeweilige Kind
zuständig ist und mit ihm … ja, eine Art Karriereplan entwickelt. Also:
welche Stärken und Schwächen ein Kind hat, wo es mehr tun muss, wo es besonders
weit kommen kann und wo es sich vielleicht nicht für das Kind lohnt, mehr als
das Minimum zu arbeiten. So habe ich es jedenfalls verstanden, als mir der
Rektor die Organisation des Internats erklärte.«
    »Und wer waren diese Mentoren?«
    »Ganz unterschiedlich. Bis auf zwei, drei Lehrer hatten wohl alle
eine bestimmte Anzahl von Schülern, die sie als Mentoren begleiteten.«
    »Und wer war Kais Mentor?«
    Mertes dachte kurz nach, dann murmelte er: »Franz Moeller.«
    Sarah und Hendrik hatten sich ein gut verborgenes
Plätzchen in der Nähe der alten Kaserne gesucht. Rundherum standen dichte
Büsche, und der geschotterte Spazierweg führte erst ein Stück weiter entfernt
durch die Anlagen.
    Die vergangene Nacht hatten sie im Kino, im Bistro und hinterher
noch mit Spaziergängen verbracht, erst weit nach Mitternacht waren sie in
Hendriks Wohnung geschlüpft, die einen eigenen Eingang von der Gartenseite her
hatte und im Untergeschoss des Flachdachbungalows seiner Eltern lag.
    Hendrik hatte Sarah behutsam gestreichelt, aber zu mehr war sie noch
nicht bereit, und schließlich schliefen sie, eng aneinander gekuschelt, in
Hendriks Bett ein. Der Wecker klingelte gegen sieben, und die beiden schlichen
sich wieder durch den Garten hinaus, ehe Hendriks Eltern sie entdecken konnten.
    Nun lagen sie im Park, erzählten sich von ihren Träumen, hielten
Händchen und ließen ab und zu die Fingerspitzen über den Körper des anderen
streifen. Irgendwann wurde Hendrik ein wenig fordernder, und Sarah, ebenso müde
wie glücklich, genoss das Gefühl seiner Hände auf ihrer Haut.
    Mertes schrieb ihnen die Telefonnummer von Klara Schulze
auf, der ehemaligen Elternbeirätin, die auch in dem Zeitungsartikel über Kai
Wirschings Tod genannt wurde.
    »Und nun

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