Kinderfrei
CO2-Fußabdruck des ursprünglichen Elternteils bei Weitem übersteigen können. In den USA etwa fügt jedes Kind dem lebenslangen CO2-Fußabdruck der Mutter etwa 9441 Tonnen CO2 hinzu – das 5,7-Fache ihres direkten lebenslangen CO2-Fußabdrucks. Allein im Hinblick auf den CO2-Ausstoß ist die Entscheidung gegen ein (weiteres) Kind damit zwanzig Mal effektiver als alle sonstigen Maßnahmen, mit denen der Einzelne seinen CO2-Ausstoß reduzieren kann. 131
› Hinweis
In anderen Ländern mit geringerem CO2-Ausstoß pro Kopf und/oder niedrigerer Geburtenrate sind die Auswirkungen schwächer; am grundlegenden Ergebnis ändert sich jedoch nichts. Bedenkt man dann noch die zahlreichen weiteren Umweltaspekte, die durch die Geburtenanzahl unmittelbar oder mittelbar beeinflusst werden, wird unmissverständlich deutlich, dass es in der Tat keine Entscheidung des Lebensstils (sei es im Hinblick auf Ernährung, Konsum, Mobilität oder Energieverbrauch) gibt, die so weitreichende Folgen hat wie die Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen – oder eben nicht.
Dieses Wissen müsste dringend verbreitet werden. Und wenn wir schon mal dabei sind, sollte in diesem Zusammenhang auch unbedingt auf die Überwindung der Vorurteile gegen Einzelkinder hingewirkt werden, die gemeinhin immer noch bestehen, obwohl zahlreiche Studien wiederholt gezeigt haben, dass Einzelkinder weder bei der Intelligenz noch bei der Sozialkompetenz schlechter abschneiden als Kinder mit Geschwistern. Es sollte also jeder dazu ermuntert werden, bei der Entscheidung für oder gegen ein (weiteres) Kind nicht nur seine persönlichen Lebensumstände und Wünsche zu berücksichtigen, sondern auch die Folgen seiner Zeugungstat und damit letztlich die Zukunft seiner Kinder und möglichen Enkel. Das hätte zudem den positiven Nebeneffekt, dass sich die Menschen grundsätzlich mehr und intensivere Gedanken über diese Entscheidung und ihre Elternschaft machen. Schließlich kann es ja nicht sein, dass auf die Auswahl eines neuen Autos oder Handy-Modells mehr Sorgfalt verwendet wird als auf die gewaltige Entscheidung, ein neues Leben in diese Welt zu bringen.
Doch was wäre all dies ohne einen letzten, entscheidenden Punkt: Anerkennung der Kinderfreiheit als positive Lebensform! Es muss endlich Schluss sein mit der Diskriminierung von Kinderfreien. In einer Welt, in der die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ein nie gekanntes Ausmaß angenommen hat und immer mehr Menschen um unbestreitbar knappe Ressourcen konkurrieren, leisten Kinderfreie unabhängig von ihren persönlichen Motiven einen wichtigen Beitrag. Je weniger Kinder geboren werden, desto mehr entschärft sich dieser Druck auf die Ressourcen und desto besser können die Bedürfnisse jedes Menschen jetzt und auch in Zukunft erfüllt werden. Und wer brächte weniger Kinder auf die Welt als Kinderfreie? Da diese ohnehin immer nur eine Minderheit waren, sind und wohl auch künftig bleiben werden – die Mehrheit der Menschen wird sich weiterhin Kinder wünschen und Kinder bekommen, und das ist ja auch völlig in Ordnung –, ist ebendiese Minderheit der Kinderfreien als Korrektiv umso wichtiger. Denn als solches vergrößert es den Spielraum der Mehrheit (auch bezüglich der Anzahl ihrer Kinder) und verbessert die Zukunftschancen ihrer Kinder. Statt also Kinderfreie wie bisher einerseits als verantwortungslos und egoistisch zu verunglimpfen und andererseits Menschen mit dem Schreckgespenst eines leeren und einsamen Lebens ohne Kinder in Richtung Elternschaft zu schubsen, ist es an der Zeit, Kinderfreiheit als wichtige Ergänzung zur Mehrheit der Eltern anzuerkennen und zu zeigen, dass man auch ohne Kinder ein erfülltes Leben führen kann. Dazu bedarf es einer Kultur, in der man sich ebenso selbstverständlich gegen Kinder wie für Kinder entscheiden kann, ohne unter Rechtfertigungszwang zu geraten oder sich einreden lassen zu müssen, man sei irgendwie defizitär. Mehr noch, Kinderfreiheit sollte als echte, gleichwertige Alternative zu Elternschaft begriffen werden, und das geht nur, wenn sich unser Bild der freiwilligen Kinderlosigkeit und die Assoziationen, die wir damit verbinden, ändern. Die Bezeichnung »kinder frei « statt »kinder los « ist da schon mal ein guter Anfang.
Hier sind wir Kinderfreien auch selbst gefragt. Egal, ob in der Öffentlichkeit oder im Privatleben, es ist kontraproduktiv, sich mit einschränkenden Äußerungen wie »Ich hab’ einfach nicht das Zeug dazu« selbst
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